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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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souveräne Nichtbeac h t u n g. Sie zog das geflic kt e Nachthe m d des kranken Mädchens aus, setzte sich vor den Spiegel und rieb sich V aseline ins Gesicht, um die weißgrünliche Sch m inke zu entfernen. Währenddessen versuchte s i e, sich das Bild des verwüsteten Saals in München und der drei Widerlinge auf der S traße in Erinnerung zu rufen, aber es m ußte an dem ha r m onischen Tag heute liegen, daß sich der Zorn auf Philipp nicht in v o ll e m Um f ang einst e ll e n wollte.
    »Du könntest zu m indest fragen, wohin wir gehen«, be m erkte Philipp.
    »Wir gehen nirgendwohin«, entgegnete Carla, was sich als ein taktischer Fehler erwies, denn es s t rafte die souveräne Nichtbeachtung Lügen.
    »Nach Timbuktu ist es etwas wei t «, sagte Philipp, »aber m an hat m ir versichert, daß Josephine B a kers Bananentänze ange m essen exotisch sind.«
     
    Nun wußte sie, wie das ar m e G r etchen, das dum m e Ding, sich angesichts des zweiten Schatzkästche n s f ühlte. All e ine f ehlt e n ihr sowohl Geld als auch die zeitlichen Möglichkeiten, um die weltberüh m te Josephine Baker in der kurzen Zeit, in d er s i e in Be r lin weilte, tanzen zu sehen, obwohl sie sich das in der Tat sehr gewünscht hatte. V e rr ä ter, dac h te sie wieder. V e rräter.
    Andererseits… Für Philipp m ußte es ein enor m es Maß an Überwindung bedeutet haben, m it Robert in Verbindung zu treten und ihn um Auskunft zu bitten, was sie s i ch wohl wünschte. Es war ganz offensichtlich eine stu mm e Bitte um Entschul d i g ung, was bedeutete, daß sie nicht nachgab, sondern nur ihren Sieg anerkannte, wenn sie seine Einladung jetzt akzeptierte. Unter solchen U m ständen waren wie hatte Kathi es ausgedrückt? Haltung und Höflichkeit am Platz.
    » W ir m üssen vorher noch zu m i r«, sagte sie endlich und w i es m it dem Kinn auf ihre alten Hosen. »Darin kann ich nicht gehen.«
    »Das ist auch nicht nötig«, erwiderte Philipp u nd zog unter den verschiedenen Kostü m e n etwas Goldenes, Glitzerndes hervor, das sich als ein langes, schulterfreies Abendkleid erwies. Als sie den Stoff berührte, stellte s i e fest, daß es sich um reine Seide handelte. Es war un m öglich, es nur anzusehen u n d nicht anzuprobieren, also gab sie auf und schlüpfte hin e in. Das Gefühl von Sei d e auf ihrer Haut, so lange entbe h rt, war an sich schon herrlich, aber als sie in den Spiegel schaute, stellte sie fest, daß es wie angegossen saß. Es betonte ihre Figur auf eine W eise, die verriet, daß es eigens für sie geschneidert worden sein m ußte, nach Angaben, die eine durch und durch inti m e Kenntnis ihres Körpers nötig m achten. Auf seine Art war das Kleid eine ebenso besitzer g rei f ende, de m o nstrative Geste wie alle s , was er in Gar m isch getan hatte, aber läng s t nicht so beleidigend. Philipp trat hinter sie, und sie dre h te sich zu ihm u m .
    »Heute abend«, sagte Carla sehr ernst, »trage ich es, aber ich kann es nicht anneh m en.«
    » W ir werden sehen«, entgegnete er und zog sie an sich. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Carla.«
     

13. KAPITEL
     
    Der große, schlanke Mann m it den ausgeprägten Gehei m ratsecken und dem irgendwie uneuropäisch wirkenden, saloppen Anzug war sich wohl bewußt, was für ein Aufse h en er m it seiner Be g l e it e rin in dem kleinen Theater erregte; Köp f e reckten sich, und das Mädchen, das ihnen ihre Plätze zeigte, rann t e sofort davon, um mit einer Kollegin zu tuscheln. Dabei w ar an ihm eigentlich nichts Ungewöhnliches. Er hatte e i n en leic h t en böh m i schen Akzent, der in Kontrast zu der eben m äßigen Bräune stand, welche m ehr als zehn Jahre kalifornischer Sonne ihm verliehen hatten. Ansonsten unterschied er sich nicht von den übrigen T heaterbesuchern.
    »Paul, Darling«, sagte seine Begleiterin in ihrem breiten, a m erikanischen Englisch, »ich dachte, wir w ären hier in der Hauptstadt. Sicher haben die Leute schon m a l A m e rikaner gesehen, oder ? «
    Paul Kohner lachte. »Nicht solche wie Sie, Genevieve.«
    In d e r T a t b lic k t en s i ch die m ei s ten Leute nach ihr u m , außer den Theaterangestellten, die wußten, w er e r wa r ; s eine Se k ret ä rin h atte die Karten auf seinen N a m en bestellt, und die Leute hatten ihre Hausaufgaben offensichtlich ge m acht. Aber die Frau an seiner Seite stach auch alleine aus der Menge hervor. Sie ging m it d e n unbeküm m erten langen Schritten, die E u ropäerin n en einfach nic h t m achten, s i

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