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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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e trug zu ei n em Theat e r besuch einen Anzu g , ihr dau e rg e wellt e s Haar war in einem unmöglichen, unnatürlichen Blond getönt, und ihre rauchige, ausländische Stim m e klang eine Spur zu laut. Vor allem anderen war sie unübersehbar und ohne auch nur den geringsten Versuch zu m achen, es zu vertuschen, weit über vierzig, ohne die leiseste Absicht, sich wie eine Frau m ittleren Alters zu beneh m en.
    Sie hatte s i c h diese Ma n ie r is m en nicht zu f ällig z ugelegt. Ni c hts an Genevieve Beresford war zufällig. Sie gehörte zu den wenigen Frauen, die sich in der Männerwelt von Hollywood an die Spitze gearbeitet hatten. Als sie m it dem Verfassen von Szenarien für F il m e begann, hatte sie noch Jenny Henricks geheißen und stu m pf e , braune
    Haare wie d i e allgege n wärtigen H ö rnchen gehabt, aber bereits ü b er die Selbstsicherheit und den brennenden Ehrge i z verfügt, die sie bald hinter die K a m era und auf den Reg i estuhl brachten. Sie war nicht die einzige. Die höchstbezahlte Drehbuchautorin H ollywoods und der Superlativ schloß die m ännlichen K o llegen m it ein -, Frances Marion (geborene Marion Owens), hatte den ersten O scar für ein Drehbuch erhalten, als erste Autorin die Grenze zu einem Gehalt von dreitausend Dollar pro W oche überschritten und war von Hearst 1928 zur Che f produzentin s e in e r Cos m opolit a n Studios g e m acht worden. Lois Weber, Ruth Ann Baldwin, Dor o thy Arzner und Margaret Booth waren andere Beispiele. Aber im m er noch bildeten sie einen kleinen, exklusiven Club, und Genevieve Ber e sford war eines seiner extravagantesten Mitglieder. Sie war a ußerdem ungewöhnlich talentiert, und der Herr der Universal S t udios, Carl Laem m l e, hatte eine b e trächtliche Sum m e zahlen m ü s sen, um sie von W arner Brothers abzuwerben. Es war Paul Kohners Rat g e wesen, der dafür den Ausschlag gegeben hatte, und das vergaß sie ihm nicht. Deswegen war sie heute abend hier.
    »Ich wünschte, ich würde m ehr Deutsch verstehen«, sagte Genevieve und studierte stirnrunzelnd das Programm. »Die Dreharbeiten werden die Hölle werden, das sehe ich jetzt schon. Auf welches von den Kids kommt es Ihnen denn an, Paul ? «
    Kohner m achte ein gehei m nisvolles Gesicht. »Das überlasse ich Ihrer I n tuition . «
    Er fügte nicht hinzu, daß selbst ihre bruchstückhaften Deutschkenntnisse ungewöhnlich für Holl y wood waren, das wußte sie. Natürlich stam m t en die Studiobosse sa m t und sonders von osteuropäischen Ein w anderern ab oder waren selbst als Kinder eingewandert. Aber sie bemühten sich deswegen um so heftiger, A m erikaner und nur A m erikaner zu sei n ; eine an de re Sprac h e als Englisch zu sprechen war verpönt, und in A m erika m achte m an sich ohnehin selten die Mü h e. S ein Chef, Carl Laem m l e, ein alter Württe m berger, bildete da eine Ausnah m e; er hing genug an seiner alten Hei m at, um sie fast jedes Jahr ein m al zu besuchen. Daß er auß e rd e m in Karlsbad Kur m achte, war für den jungen Paul Kohner eine Fügung des Schicksals
    gewesen. Ein Inter v iew f ür die Fil m zeitschri f t seines Vaters hatte sich zu einer Einladung nach A m e r ika und zu einer Anstellung bei den Universal Studios entwickelt. N un war er als Chef der Auslandsproduktion nach Europa zurückgekeh r t; der europäische Absatz m arkt für a m erikanische Filme war besonders in Deutschland groß, und in Berlin zu produzieren, so versicherte er Laemmle, würde die Kosten enorm senken. Er hatte bereits einige Projekte in die W ege geleitet, und das, bei dem er und Genevieve zusam m ena r beiten würden, war es, was ihn heute hierher geführt hatte.
    Er beschloß, sie ein wenig irrezul e iten. »Der Darsteller des Othello ist so eine Art Phänomen«, be m er k te er. »Er führt auch R egie und hat letztes Jahr um ein Haar Schiffbruch erlitten. Bis dahin wurde er von einigen Leuten als Wunderkind des deutschen Theaters gefeiert, aber dann hat er sich übernom m en. Seine Version der Königsdra m en von Shakespeare war ein einziges Desaster. Es klappte von vorne bis hinten nicht. Der ar m e Kerl, der den Chor sprach, stand am Anfang im Dunkeln, und die S c heinwerfer waren im m e r genau dort, wo er nicht war, so sehr er ihnen auch hinterherrannte. Dann ging hinter dem durchsichtigen Vorhang plötzli c h ein Licht an, das einen Haufen Schauspieler als Schattenrisse a b zeichnete, die immer noch an ihren Kostü m en f u m m elten. Die Auf- u nd Abgänge klappten

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