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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sind«, meinte sie vorsichtig,
    »aber vielleicht… läßt sich der Vater überreden. Und wenn nicht, ein uneheliches Kind ist heute nicht m ehr die W elt.«
    »Entschuldigen Sie, aber davon w i ssen Sie überhaupt nichts«, entgegnete Carla tonlos.
    Es war kalt in der Praxis; der Ve r m ieter weigerte sich, das Gebäude noch länger zu heizen, und verkünd e te jedem der erbosten Mieter, der sich beschwerte, der W inter sei bereits vorbei. Verena S cheuerle hätte sich gerne eine andere W ohnung gesucht, aber diese L age war für ihre Praxis recht günstig, und wenn m an sich ein m al m ühs a m einen Kreis von Patienten herangez o gen hatte, w echselte m an nicht einfach die Gegend. Also sagte sie nu r , als sie Carlas Zittern registrie r t e :
    »Sie können sich wieder anziehen.«
    Innerlich verwünschte sie sich wegen ihrer Bemerkung über uneheliche Kinder. Natürlich war es auch heute noch ein Stig m a, und uneheliche Schwangerschaften genügten, um ein Arbeitsverhältnis zu lösen. Doch Carla Fehr war Schau s pielerin, und Dr. Scheuerle war stillschweigend davon ausgegangen, daß m an in dem Beruf andere Maßstäbe s e tzte.
    »Es klingt vielleicht hart«, sagte sie und versuchte, ihren nächsten Beschwichtigungsversuch m it etwas gesundem Menschenverstand zu verbinden, »aber Sie könnten den Vater unter Druck s e tzen. Sie sind schließlich nicht m ehr ganz unbek a nnt, und wenn er eine eigene gesell s cha f tli c he Positi o n zu verteidi g en hat…«
    Sie konnte sich nicht vorstellen, daß dem nicht so war; die immer so selbstbeherrschte Carla, der E h rgeiz und Erfolg fast auf die Stirn tätowiert waren, gehörte nicht zu dem Typ Frau, der m it einem Laufburschen etwas anfing. Diese Art von Erpressung stellte natürlich nicht die beste Basis für eine E h e dar, doch Verena Scheuerle war Realistin. Bei der m i serablen Rechtslage von unverheirateten Müttern m ußte m an zu den Mitteln grei f en, die zur Verfügung standen.
    »Ich kann den Vater nicht heirat e n«, entgegnete Carla und begann langsa m , m it m echanischen, abgezirkelten Bewegungen, sich wieder anzukleiden. »Auf gar keinen Fall.«
    »Nun, wenn er schon verheir a tet ist, dann d ü rfte er um so eher bereit sein, einem finanziellen Arrange m ent zugunsten des Kindes zuzustim m en.«
    Carlas Augen waren Verena Sch e uerle immer grün erschienen, doch nun starrten sie ihr kieselgrau und hart wie Stein ins Gesicht.
    »Nein, ich möchte nicht, daß er überhaupt etwas davon erfährt. Frau Dr. Scheuerle, ich kann das Kind nicht bekom m en. Ich könnte es selbst dann nicht, wenn ich hier in Deutschland bliebe, w as nicht der Fall ist. Um es auf den Punkt zu bringen, es würde m ein Leben ruinieren.«
    Die Ärztin gab nicht v o r, nicht zu b egreifen, w a s sie m einte. Aber gewöhnlich weinten die Frauen an dieser Stelle. Im Grunde war sie dankbar, daß Carla Fehr es nicht tat; das m achte es ihr leichter, sie abzuweisen, als es bei d em ver f ührten Laden m ä dchen oder der Fabrikar b eiteri n , die i h r achtes Kind er w art e te, d e r Fall war.
    »Das kann ich nicht tun«, antwortete sie. »Sie haben den Stuttgarter Prozeß v or zwei Ja hr en vielleic h t nicht verfolgt, a b er i ch. Es war eine echte Hexenjagd. Bei allem Respekt vor Friedrich Wolf und seinem K a mpf um eine Refo r m des Paragraphen 218, ich halte es für keinen Zufall, daß er sehr viel schn e ller aus der Haft freikam als Frau Dr. Kienle. Ein Mann, der Abtreibu n g unterstützt, zieht große Feindselig k eit auf sich, aber eine Frau wird in einem Maß gehaßt, wie Sie es sich nicht vorstellen können. Zu d i eser Zeit bin ich wie jede Ärztin polizeilich befragt worden, und ich ver m ute, m an hat im m er noch ein Auge auf mich. W egen Verbrechens wider den Paragraphen 218 angeklagt zu werden würde mein Leben ruinieren, und dazu bin ich einfach nicht bereit.«
    »Nicht für m i ch, m ein e n Sie«, s a gte ihre Patientin, und ihre Ausdruckslosigkeit begann sich m it einer Spur von Schärfe zu beleben.
    »Nicht für Sie«, bestätigte die Ärztin sac h lich. » W enn Sie herzkrank wären oder die Frau eines A r beitslosen mit vier Kindern oder geistig behindert, dann… würde i c h m i r zu m i ndest Bedenkzeit ausbitten, um zu überlegen. Aber Sie erfreuen sich bester Gesundheit, Sie sind nicht ar m , Sie wußten, was Sie taten, schließlich habe ich Ihnen seinerzeit genau erklärt, wie Verhütung funktioniert. Und ich gehe doch recht in der Annah m e, daß Sie

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