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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hen m it Kathi, geht es m ir eigentlich ausgesprochen gut hier, aber heute nach m ittag überlege ich m i r schon die ganze Zeit, ob ich es nicht noch etwas besser haben könnte. In Deutschland. Ich müßte zwar auf jede K ritik an Menschen verzichten, die ich verachte und die ihr Bestes tun, um einem Teil der Bevölkerung das Leben zur Hölle zu m achen. Doch ich könnte Rollen überneh m en, von denen ich hier nur träu m e.« Ihr Gesicht verhärtete sich. »Kannst du dir eigentlich vorstellen, was es bedeutet, daß Leute wie Elisabeth Bergner oder Helene Thi m ig d a s Land verlassen m ußten? Daß ein beträc h tlicher Besta n dteil der Schauspielerinnen in m einer Hei m at nur noch m it Sondererlaubnis spielen darf? W as das für Möglich k eiten eröffnet? Ich k a n n es m i r vorstellen, Nancy, und gerade h eute nach m ittag habe ich nichts anderes getan.«
    Sie schaute zu ihrer Freundin und wartete darauf, Anzeichen der Erkenntnis, der Verachtung zu sehen, oder zu m i ndest die ablehnende Maske, die Nancy früher ihr gegenüb e r aufgesetzt hatte. Statt dessen streckte Nancy eine Hand aus und legte sie auf ihre Schulter. Trotz des war m en Frühlingstags fühlten sich ihre Finger durch den dünnen Bau m wollstoff von Carlas Kleid kühl und trocken an.
    »Natürlich denkst du darüber nac h «, sagte Nancy leise, »aber du wirst es nicht tun. Das weiß ich. Ich glaube an dich.«
    Ohne die hohen Schuhe, die sie m eistens trug, war sie deutlich kleiner als Carla, und der leicht e r hobene Kopf ließ Nancys sorgfältig zurückgestecktes, langes Haar über ihre Schultern fallen, als sie einen Schritt näher trat.
    »Ich glaube an dich«, wiederho l te sie, »und ich brauche dich.« Dann küßte sie Carla auf den Mund. Es war eine schnelle, flüchtige Geste, und einen Augenblick lang war sich Carla nicht sicher, ob sie sich die kurze, federleichte Berührung nicht eingebildet hatte, denn im nächsten Mo m ent s a gte Nancy in ih r em alltäglic h en, s a chlic h en Tonfall: »Was Mr. Ko h ner und Mr. Reinhardt angeht, ich werde sehen, was ich zur Schadensbegrenzung tun kann«, wandte sich ab und ging zum Auto zurück.

Ihre Hände verkra m pften sich um den Türrahmen, während etwas in ihr er s t ar b .
    » W o ist sie, Eddie ? « fragte sie und wunderte sich, warum si e nicht überrascht war, wo jetzt, als sich all ihre Befürchtungen bestätigten, die Selbstvorwürfe der Stunden zuvor blieben.
    »In m ein e m Zim m er. Ich m eine, i m Badezimmer. Ich bin vorhin aufgewacht, und…«
    Mit einer mechani s chen Sorgfalt, die sie irritierte, dachte sie daran, ihren eigenen Schlüssel m itzuneh m e n, ehe sie die Suite verließ und dem Mann folgte, dessen gewohnte Selbstsicherheit und Wortg e wandtheit in einem Meer von bruchstückartigen, entsetzten A usrufen verschwunden waren, die er von sich gab, w ä hrend sie zu sein e m Zimmer liefen.
    »Ich hatte keine Ahnung! Ich sch w öre bei Gott, daß ich keine Ahnung hatte! Sie war etwas unruhig, aber nor m al, als sie m it d e m Skript zu m i r ka m . Und dann es war ihre Idee, sie hat damit angefangen ich dachte, warum nicht gut, vielleicht wollte ich Ihnen auch etwas hei m zahlen aber es lief alles nor m al, ich schwöre Ihnen, es lief alles nor m al! Sie hatte keinen Grund, so etwas zu tun!«
    Drei »nor m als« hintereinander, hallte die kalte, nü c hterne Stimme in ihrem Kopf. Ob er überhaupt be m erkte, wie bizarr das W ort in diesem Kontext wa r ? Mut m aßlich nicht. E r war nic h t in der Lage, seine Z i mmertür aufzusperren, also mußte sie es für ihn tun. Im m e r noch zitternd und seine Unschuld beschwörend, führte er sie zu d e m Badezim m e r . Sie wußte, was sie vorfinden würde. Sie hatte es schon ein m al gesehen. Doch dies m al fe h lte der Dampf, und das rötliche Wasser in der W anne war kalt, als sie nach Nancys Handgelenk griff. Der senkrechte Schnitt kreuzte sich m it der waagrecht e n Narbe. Nancys schwarze, so klar gezeichn e te Augen starrten sie a n , tot und kalt wie das All, und alles, was sie wiederspiegelten, war ihre eigene innere Leere. Sie hörte Würgegeräusche und schaute auf. E ddie Feiton er b rach sich über de m Waschbecken. Je t zt erst f i el i hr auf, das es in dem Raum bereits nach Erbrochenem roch; links neben dem Badewannenrand befand sich eine kleine Lache.
    Sich wieder Nancy zuwendend, nahm sie das andere Handgelenk und fand den gleichen Längsschnitt. Der Arm hatte im W a s ser gelegen, und das Blut überzog ihn m

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