Unter dem Zwillingsstern
Pierce ihre Oh r en f est. Dann bedeckte er ihr Gesi c ht m it Baumwollbinden, Collodium und Kn e t m asse. Nachdem er diese Maske mit einem Fön getrocknet hatte, ging er z u m nächsten Stadium über und durchknetete ihr Haar ganz und gar m it der leh m artigen Masse, die gewöhnlich für Schönheitsbehandlungen benutzt w urde. Als auch diese Substanz a u sgehärtet war, wurde sie m it Ze m ent überdec k t.
Inzwischen war Carla ü berzeu g t , daß die Qualen der Hölle auch nicht schli mm er sein konnten. Jed e r einzelne Gesichts m uskel, von dessen Existenz sie bisher noch n i cht ein m al gewußt hatte, sch m erzte, einschließlich ihrer L i der, die s i e zuerst nic h t bewegen durfte und bald nicht m ehr bewegen konnte. Es gab ihr das Gefühl, blind zu sein, und sie k ä m pfte verzweifelt gegen die Panik an, die das in ihr auslöste. Als Pierce begann, ihren Körper in die säurebehandelten und in einem Ofen erhitzten Leine n bänder zu wickeln, kostete es sie jedes Quentchen Selbstbeherrschung, über das sie verfügte, nicht nach ihm auszuschlagen. Hin und wieder m u r m elte er ein paar er m utigende W o rte, doch im großen u nd ganzen verliefen die Stunden schweigend, denn er hatte alle Zus c hauer aus se inem Arbeitsbereich verbannt, und sie war nicht m ehr in der Lage zu sprechen.
Sie versuchte, wenigstens ged a nklich zu entkom m en. Nancy. W as war das am Strand gewesen, eine Bestätigung von Freundschaft oder m ehr? Auf jeden Fall löste Nancy nicht nur Sympathie, son d ern auch Zärtlichkeit in ihr aus, das Bedü r fnis, sie zu beschützen, und das lag nicht nur an der Erinnerung an die geöffneten Pulsadern. S i e sah so fragil aus, wie eine chinesische Elfenbeinschnitzerei. Eine wunderschöne Elfenbeinfigur. Schönheit bei a nderen F r auen war etwas, das Carla im m er gesehen hatte, obwohl sie bei ihr b i s her nie etwas verursacht h atte wie… was war e s ? Als s i e Car m illa gespi e lt h atte, war es ihr gelungen, sich in eine Lie b e zu Dolores’ Laura hineinzuhypnotisieren, aber das hier unterschied sich von einem Rollenspiel. Außerhalb des Fil m s hatte Dolores sie n i e besonders interessiert, weniger als Roberts Freundinnen, von denen sie Dinge wußte, die sich durchaus hin und wieder in ihre Träu m e ein s chlichen. Vielleic h t war es nur Neugier. Sie erinnerte sich an ihre Frage an Robert nach dem Vergleich, m it ein e m Mann oder m it einer Frau zu schlafen. Aber nur um ihre Neugier zu stillen, konnte sie nicht m it Nancy ins Bett gehen, vorausgesetzt, daß sie die ganze Geste nicht ohnehin völlig m i ßdeutete. Philipp ve rt rug es vi e ll e icht, wenn m an ihm sagte, m an liebe ihn nicht, aber Nancy? Nein.
Das war eine Parallele, die sie ei gen tlich nicht h atte h e rst e ll e n wollen. Die alte Besessenheit, der W unsch zu verletzten, gekoppelt m it der Gier, ineinander zu versch m e l zen aber nein, der Gedanke an Nancy löste in ihr nicht den gle i chen Gefühlswirrwarr aus, zum Glück. Frau oder Mann, eine solche Beziehung genügte. S ie wußte nicht, was genau sie für Nancy e m pfand, und am Ende war es besser, das gar nicht erst herauszufind e n. Auf jeden Fall besser für Nancy, die nicht wissen konnte, was sie m it ihrem »Ich glaube an dich« angeric h tet h atte.
»Jetzt das andere Bein auf das Gerüst«, sagte Jack Pierce und holte sie in die sch m erzhafte Gegenwart zurück. »Höher… höher… ja.«
Sie zweifelte daran, ob sie s ich überhaupt noch würde bewegen können, wenn er sie gänzlich eingewickelt hatte, zu m al das im m er noch nicht das Ende der Tortur dar s t e llte. Nu n , Karlo f f war in der Lage gewesen, sich zu bewegen, und er war viel älter als sie. Der Durst, der si e plagte, wurde im m er schlim m er, aber sie wu ßt e, wenn sie trank, würde die Natur bald ihren Lauf neh m en, und dann würde sie d i e g anze Prozed u r noch ein m al durch m achen m üssen. So m ußten sich Reisende in der W üste füh l en. Nein, so fühlten sich die Ka m ele, vollgepackt und auch noch m it einem Fell be d eckt. W arum hatte s i e sich eigentlich diesen B e ruf ausgesucht? Es m ußte in ihr ein fatales Bedürfnis geben, bestraft zu werden. Das war es. Philipp war die Bestrafung für ihren Vater und d i e Schauspielerei die Bestrafung für ihre Mutter. Und Nancy, Nancy stellte v e rmutlich die B estrafung für ihr Kind dar…
Von sich selbst angewidert, bef a hl sie s i ch, sich zusam m enzuneh m en. Sie spielte, weil es das Beste war, was sie zu
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