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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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it einer roten Schicht. Auch Nancys wunderschönes, seidiges Haar war v e rklebt und verkrustet, als sie die A r m e losließ und versuchte, es zu entwirren. Die W ürgegeräusche hinter ihr hörten auf, und Eddie F e iton sagte hilflos: »Oh, Scheiße. Scheiße!«
    »Helfen Sie m ir«, sagte Carla a b wesend, »sehen Sie nicht, wir müssen sie aus dem Wa s ser holen.«
    »Sollte sollte das n i c h t die Polizei tu n ? Sch e i ß e, die Poliz e i! S ie werden de n ken m ein Zimmer sie hat die N a cht m it m ir verbr a cht was soll ich ihnen o Gott!«
    Nancy hatte m it ihm geschla f en u nd sich dann in seinem Badezim m er umgebrac h t, u m Carla g l eichzeitig den Grund zu verdeutlichen und ihre Karriere zu retten, da m it nicht das gleiche wie nach Genevieves Tod geschah. Aber es gab keine Möglichkeit, das Feiton zu erklären, und selbst w enn sie in der Lage dazu gewesen wäre, hätte sie es nicht getan. Sie schaute auf die tote Nancy, und Gertrudes Klage um die ertrunkene Ophelia, die eine andere Carla während eines turbulenten Som m ers in Lubeldorf gesprochen hatte, kam in Frag m enten zu ihr zur ü ck: Als ob sie nicht die eigne Not begriffe,/ Wie ein Geschöpf, geboren und begabt/ Für dieses Element…
    W ie aus weiter Ferne h örte s ie sich entgegnen: »Es ist nicht Ihre Schuld. Sie hat es schon ein m al versucht.«
    Dann versagte auch ihre Stim m e, und zurück blieb die Hülle, d i e auf den kalten Fliesen neben der Leiche kniete, bis Feiton m it d e m Hotel m anager ka m .
     

Carla rührte sich nicht. Sie fuhr sich m it der Z unge über die Lippen und sch m eckte Meersalz und einen fre m den Lippenstift. Aber was sie tiefer traf, war das »Ich glaube an dich, und ich brauche dich«. Gebraucht zu werden war ihr schon bekannt, aber Menschen, die an einen glaubten, die beharrlich trotz besseren W issens das Beste von einem erw a rteten, verfügten offen b ar über ei n e eigenartige Macht. Man durfte sie n icht ent t äuschen. Sie schüttelte verwirrt den Kopf, dann folgte sie Nancys Fußstapfen im Sand, die zurück zur Straße führten.
     
    Die nächsten W ochen vergingen, ohne daß eine von ihnen auf den Mo m ent a m Strand zurückka m . Carla schrieb einen E ntschuldigungsbrief an Paul Kohner und einen kürzeren an Gottfried Reinhardt, obwohl sie sich zu letzt e rem nur schwer durchringen konnte. W i e sie ins g eheim erwartet h atte, a n twortete er n i cht. Die Arbeit an Sie kehrt z u rück schritt m ühelos voran, wobei Jack Pierce sie er m ahnte, sich auf keinen Fall m ehr der Sonne auszusetzen.
    »Ein Sonnenbrand«, verkündete er düst e r, »ist das letzte, wirklich das allerletzte, was wir hier gebrauchen können, und bei dein e m Milchteint fängst du dir g a rantiert einen ein, Honey.«
    Pierce hatte seine R ituale; wenn C a rla am Mor g en er s chien, um eine Stunde lang in die untote Nefertiri m it der ledrigen, ausgedörrten Haut verwandelt zu werden, bestand er darauf, als er s t er zu s prechen. Als sie ei n m al den Fehler m achte, ihm einen guten Morgen zu wünschen, ehe er sie anredete, warf er ihr einen e i sigen Blick zu und ließ sie noch eine halbe Stunde länger bearbeiten. Das Ergebnis seiner Maskenbildnerkünste w ar allerdings wirklich m e hr als eindrucksvoll.
    Sie bezwei f elte, daß sie als Car m illa je so überzeugend leichenhaft ausgesehen hatte, und er schaffte es außerde m , sie einer ägyptischen Skulptur so ähnlich wie möglich zu m achen. Er straffte ihre Lippen, weitete die Augenbrauen, holte aus ihren W angenknochen heraus, was m öglich war, und verlängerte ihren Hinterkopf; ihre S chultern wirkten breiter, und die künstlichen Nägel, m it denen er ihre Finger noch m als streckte, ließen ihre Hände tatsächlich so unnatürlich lang wie auf den Grab m alphotographien aus Howard Carters B uch über Tutancha m u n aussehen. W i e Rohma t erial für eine Skulptur behandelt zu we r den hatte s e inen Reiz. Es half ihr auch dabei, sich aus ihrem Körper zu entfernen und durch die Persönlichkeit, die sie für Ne f erti r i entwickelt h atte, ers e tzen z u lassen.
    Pierces Meisterstück, die vollständige Mu m ifizierung, erwartete sie m it einer Mischung aus Neugierde, Anspannung und Furcht. Sie hatte nicht vergessen, wie unbehaglich sie sich gefühlt hatte, als m an eine Toten m aske von ihr anfertigte, und das hatte nur zehn oder zwanzig Minuten gedauert. Eingedenk Karloffs W arnung e rschien sie an dem bewußten Tag m it nüch t ernem Magen. Zuerst klebte

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