Unter dem Zwillingsstern
die T r änen. W as hat das m it m i r zu tun? Ich sehe nicht gerade wie ein Führungs m itglied der SA aus.«
»Es gibt noch andere Verdächtige. Halte dich lieber m it weit e ren W itzeleien zurück, Robert, die Sache ist ernst. Kriege ich ein Exklusivinterview, wenn ich dich heraushole ? «
Er versprach es und reichte sie an den nächststehenden Polizisten weiter, der ihr eine W eile zuhörte, etwas brum m t e und dann auflegte.
»Die SA wollte also putschen«, sagte Robert beiläufig, während er auf einer Bank m it einer Reihe weiterer verdäc h tig e r Ele m ente darauf wartete, von seiner alten Bekan n ten gerettet zu werden, zu dem Wacht m eister, der ein A uge a u f sie werfen sollte. »H m .«
Die Lage e n tbehrte nic h t einer g ewi s sen Ko m i k.
»Ich kann Ihnen versichern, der S A beizutreten, k ä m e m i r nie in den Sinn.«
»Hmmm.«
»Halt lieber den Mund, Mann«, flüsterte sein Nachbar und versetzte ihm einen Rippenstoß.
Robert gab es auf, Kon v ersation zu treiben, und versuchte, sich die Details d e r Poliz e ist a ti o n f ür sei n en nächsten Film einzupr ä gen. Seinen nächsten, ganz und gar aus e i genen Mitteln finanzierten Fil m , egal, wie lange es dauerte, diese Mittel aufzutreiben, und egal, in wie vielen Stücken und Filmen von and e ren Leuten er dafür m itwirken mußte. Er hatte dann immer noch d a s Ministerium i m Na c ken, aber zu m i ndest nicht m ehr einen Haufen ängstlicher Ko n zernan g estellter.
Lina Braake, die Journalistin, d i e ihn während seines Theaterso mm ers kenn e ngelernt hatte, erschien m it einigen alten Artikeln über Robert, die Photographien einschlossen, bewaffnet. Ob das nun die Polizei überzeugte oder ihre Übe r prüfungen seines Ausweises ergeben hatten, daß er echt war, wurde nicht de u tli c h, aber m an ließ ihn gehen. Es w underte Robert, daß L i na dies m al keine Ka m era m itgebracht hatte, um ihn vor der Polizeistation aufzuneh m en, und er fragte sie danach, als sie in einer Taxe auf d e m Weg in ihre Wohnung saßen. Sie schaute ihn an, a l s seien ihm Flügel gewachsen.
»Leute zu provozieren, die unter großem Dru c k stehen, ist nicht m eine Sache, m ein Lieber.«
Dann gab sie ihm eine etwas ausführlichere Erklärung. Daß die SA darauf drä n gte, eine V o lks m iliz zu bilden, und daß die Reichswehr diese Konkurrenz strikt ablehnte, w ar auch Robert bekannt, obwohl es ihn nicht besonders interessier t e. Man brauchte kein Genie zu sein, um zu erkennen, daß Hitler vor der W a hl zwischen SA und Reichswehr gestanden hatte. Offenbar hatte er sich für die Reichswehr entschieden.
»Aber die Verhaftungen«, sagte Lina, sobald sie ihre W ohnungstür hinter sich geschlossen hatte, »sind nach alle m , was ich gehört habe, eben nicht einfach Verhaftungen. Das W ort Hinrichtungen t r i ff t es schon eher. Röhm ist m it Sicherheit tot, und nach de m , was uns die Regierung für eine Extraausgabe heute abend freigegeben hat, noch sechs weitere. Die Gerüchte sp r echen allerdings von hundert, hundert f ün f zig. Viell e icht s ogar zweih u ndert. Nie m and will si c h f estlegen, und wir können kaum nachfragen. Nur in einem sind die vom A m t plötzlich sehr offen. Erinnerst du dich, daß es in der Weltbühne und den anderen Blättern öfter Anspielungen darauf gab, daß Röhm ho m osexuell war, und wie das die Nazis aufgeregt hat? Jetzt nicht m ehr. Jetzt liefern sie u n s Aussagen über Orgien, die Röhm gefeiert haben soll, und daß die ganze Aktion auch der Beseitigung ungesunder und unlauteren Ele m ente im Volkskörper dienen wird. Mit einem Wort, jetzt sind sie hinter den 175ern her«, schloß sie und gebrauchte den jedem geläufigen A usdruck für Ho m osexuelle, so genannt nach dem einschlägigen Paragraphen.
»Ah. Jetzt w ird m ir einiges klar.«
Es wurde ihm vor allem klar, daß sich die Za h l seiner in d i e ser Zeit gefährdeten Freunde ger a de wieder vergrößert hatte. Um sich selbst m achte Robert s i ch in d i eser Hi n sicht keine Sorgen. Er hatte nie einen Sinn darin gesehen, sich auf e i n Geschlecht zu beschränken, aber er konnte es, wenn die U m stände es verlangten. Nachdem er Lina Braake als Gegenleistung das versprochene I n ter v iew, g e würzt m it einigen der boshaftesten Beschreibungen, die ihm zu diversen Produzenten der UFA und von Astoria ein f ielen, gegeben hatte, schickte er seiner Frau ein Telegramm und nahm den nächsten Zug nach Berlin. In seiner Wohnung warteten nicht nur
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