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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Parasit, ohne eigene Lebenskraft, sich v o n Deiner nährend. Sie hat Dich erstickt, das hast Du selbst gesag t , und nun frage ich Dich, ist das, was Du seit ihrem Tod fühlst, nur Trauer? Nichts als das? Ein Funken Erleichterung und eine Spur von Befreiung sind nicht dabei?
    Diese spezielle Lehmpuppe habe i c h gefertigt, und nicht D u. Ich bin nicht stolz darauf. Aber sie hat sich selbst getötet, niemand hat sie dazu gezwungen. Wenn Du ihr n i e begegnet wärst, hätte sie es schon vor Jahren getan. Sie war e i n Opfer, und behaupte nicht, daß Du das nicht von Anfang an gesehen hast. Und wo wir gerade bei unangenehmen Wahrheiten sind: Ich habe Dich nicht gezwungen, mit Philipp dem Hai auch nur ein Wort zu wechseln. Ehrlich gesagt, ich hatte gehofft, daß Du ihn abblitzen läßt, was zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hätte. Aber die Hoffnung war nicht sehr groß, nicht bei D e iner Vorlie b e für sel b stzerstörerische Charaktere. Als Du ihn und sie nebeneinander hast ste h en sehen, ist Dir da aufgefallen, daß es sich um Spiegelbilder handelte? Ich kann mir Deine Nancy sehr gut als Konzernchefin mit P a rteiabzeichen vorstellen. Oder Philipp mit offenen Pulsa d ern ( schlie ß lich ist Sel b stmord der ultimate Vorwurf, der letzte Schlag, den man den Überlebenden versetzen kann ) .
    Bist Du nun zornig genug, um m i r z u antworten, oder soll ich weitermachen?
     
    Robert da wir beide soviel über Opfer und Überlebende wissen und Du diesmal meine Lehmpuppe für mich zerstört hast, erwidere ich Dir den Gefallen. Bei Dir gibt es schließlich noch eine alte, unzerstörte, längst überfällige. Wenn Du Dir das nächste Mal selbst leid tust, weil Du Dr. Goldmann am Hals hast, dann sprich einfach mit ihm über den Tod Deiner Mutte r . Du bist so gut darin, andere Menschen zu manipulieren, glaubst Du nicht, daß es die einfachste Sache von der Welt wäre, etwas aufgestauten Groll loszuwerden und dem guten Doktor zu verdeutlichen, daß er aus Deinem Leben zu verschwinden hat, weil Du ihn längst nicht mehr darin erträgst? (Das Stichwort »Parasit« könnte helfen.) Ich bin sicher, dann würde er Deutschland verlassen. Als gebrochener Mann zwar, und ob er dann im Exil nicht einfach aufgibt, ohne eigene Lebenskraft, weiß man nicht, aber er würde gehen. Denk darüber nach.
    Nein, ich habe nicht Nancy und Philipp als Spiegelbilder gesehen. Ich sehe Dich und mich, und im Moment ekelt es mich an. Aber ich weiß, daß man seinem Spiegelbild nie entkommt.
     
    Die Oktobersonne schien war m , al s Dr. Gold m ann m it Martina durch den Berliner Tiergarten spazierte. Ein m al blieb er stehen, um ein Blatt, das sich in i h rem Haar verfangen hatte, zu entfernen, obwohl er vermutete, daß es verlo r ene Liebes m ühe war; Martina hatte ein Tale n t da f ür, selbst an windstillen Tagen wie die s em völlig z erzaust auszusehen. Sie rannte h i erhin und dorthin, und ein m al konnte er sie nur m it Mühe davon abhalte n , in d as R e hg ehege h i ne inz uk l e ttern. Als ihr zähes Bemühen, die Papageien dazu zu bringen, ihr etwas nachzuplappern, ihm Zeit dazu ließ, grübelte er ein m al m ehr darüber nach, wie der Herbst des Jahres 1938 zu einer so überraschend glücklichen Zeit geworden war. Das Jahr hatte nicht gut begonnen; im April kam die Ano r dnung, alle Juden m üß t en ihr in- und ausländisches Ver m ögen an m elden und be w erten lassen, was nur auf weitere erniedrigende Maßnahmen hinauslaufen konnte. Er selbst hatte zum ersten M al in seinem Leben die Behörden bewußt belogen. Dann begann Robert m it seiner Büchner-Verfilmung, Dantons Tod, m it sich selbst als Danton und sei n en Schweizer Freunden, die Dr. Gold m ann immer noch etwas irritierten, als Robespierre und Saint Just. Die Schweizer brachten die N achricht m it, daß Dr. Gold m ann dank Käthe und Carla nun über ein Züricher Schließfach verfügte, was ihn m e hr beunruhigte als erfreu t e. Gewiß, es bedeutete, ei n e feste Summe Geldes in Sicherheit zu haben, aber die Dia m a nten waren m ehr für Käthes S i cherheit als für die seine gedacht gewesen, und er hatte geglaubt, sie habe das akzeptiert.
    Von den Schweizern war ihm der ruhige Dieter im m er noch lieber als der scharfzüngige Jean-Pierre, doch er war ehrlich genug, sich einzugestehen, daß sein Ressenti m ent gegen die beiden auch darauf beruhte, daß sie offenbar über das Bescheid w ußten, was im letzten Jahr zwischen Robert und Carla g e schehen war. Sonst wußte es

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