Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
mit Dr. Goldmann bei ihr gewohnt, nehme ich an, daß Du Dich mit ihm aussprechen konntest, ehe er das Land verließ. Es macht die Tortur nicht ung e schehen, ich weiß. Aber er lebt. Es gibt noch eine Zukunft für Euch.
    Was Monika betrifft… jedesmal, wenn ich an sie denke, ringe ich um die von Kathi geforderte weibliche Solidarität, ab e r sie f ällt m ir wirklich sehr schwer. Solltest Du sie jemals umbringen, hast Du meine feierliche Erlaubnis dazu, aber tu es lieber nicht, es lohnt sich nicht, ihretwegen im Gefängnis zu landen. Oder pleite zu sein. (Stichwort Gerichtsverhandlungen.) Wenn Ka t hi in diesem Sommer immer noch darauf beharrt, in Fran k reich zu bleiben, fahre ich noch einmal nach Europa und besuche sie. Bitte, s ei a m Leben und in der Lage, ebenfalls nach Frankreich zu reisen. Halef.
     
    Lieber Halef wann hast Du denn mit dem Lamm gesprochen? Wenn Du schon Unsummen für Ferngespräche ausgibst, dann führe sie bitte mit mir und nicht mit München.
    Was die letzten siebzehn Monate angeht… bin ich ganz Deiner Meinung. Mit dem Unterschied, daß ich mich immer noch in den äußeren Zirkeln des Infernos bewege. Oh, nicht wegen Dada das ist geklärt (hoffe ich jedenfalls) und zumindest weiß ich, daß es ihm in Paraguay nicht übler ergehen kann als anderen Einwanderern auch. ( Bitte tu tr ot zdem Dein Möglichst e s wegen der US-Einreis e . Ich kenne mich mit Südamerika nicht aus, aber spanisches Essen war mir immer ein Greuel, und er hat all die Tortillas nicht verdient.) Es hilft mir dabei, etwas besser zu schlaf e n. Nein, was mich noch in der Hölle zurückhält, abgesehen von unse r em glorreichen tausendjährigen Reich (merkt man dem Brief an, daß er in der Schweiz geschrieben wurde? ) , ist, daß mein B edürfnis na c h Vernichtung leider noch nicht erloschen ist. Monika reizt es regelmäßig, aber ich habe ihr gegenüber einmal etwas getan, auf das i c h nicht sehr stolz bin, also versuche ich, mich zurückzuhalten. Und meine Tochter dazu zu bringen, wieder mit mir zu spre c hen. In bei d em bin ich b isher lei d li c h erfol g reich.
    Was meinen finanziellen Status b e trifft: Ich wohne derzeit bei Dieter und Jean-Pierre, nicht in einem Hotel, weil ich mir keines leisten kann. Mein Konto ächzt vor Überziehungen, und ich mußte mir leider eine ganze Reihe von Rollen aufbürden, um das wiedergutzumachen, was bedeutet, daß Dantons Tod erneut in weite Ferne gerückt ist. Jean- P i e rre meint, ich verurt e ile ihn zu einer jahrelangen Dauerdiät, da m it Saint-Just nicht in einem Teil des Films merklich schlanker ist als im Rest. Wie auch immer: Natürlich werde ich nach Frankreich kommen, wenn Du kommst. Au revoir, macherie, und wenn Du das nächste Mal Kritiken beilegst, neben denen auch ein Photo der göttlichen Garbo abgebildet ist, dann schneide es nic h t weg Sam.
    P.S. Eddie Feiton? Stiefelette n -Feiton? Ich will Details!
     

26. KAPITEL
     
    Käthe hörte es in Paris als er s t e. Ihr W ecker klingelte w i e jeden Morgen um sechs Uhr drei ß i g. Sie stand auf, wusch sich, klei d ete sich an und schaltete dabei den Radioapparat ein, den sie sich gekauft hatte, sobald sie i h n sich leisten konnte, nicht, weil sie so gerne Radio hörte, sondern weil es wegen der Nachrichten und Rundfunkansprac h en eine wic h ti g e Quelle da rstellte, noch ehe sie in der Redaktion die Depeschen der Nachrichtendienste las. Der E m pfang war an diesem Tag nicht besonders klar, sie würde den Sender neu einstellen m üssen, aber die wichtig st en Worte waren un m i ßverständlich: L’Allemag n e… la Polo g nie… guer re .
    Es war kein Schlag aus heit e rem Himmel, n i cht so wie die Nachric h t, die sie in der l e tzt e n W oche erschüttert und den nicht sehr großen Rest ihrer Parteil o yalität zerstört hatte, die Nachricht von dem Bündnis zwischen Hitler und Stalin. Einige ihrer französischen Bekannten v er suchten e s m it der Par t eilinie, d aß Hitl e r sich s onst m it den i m perialistischen West m ächten verbündet hätte und S t alin dem nur zuvorgekom m en wäre, aber sel b st zu den Zeiten ihrer größten Parteiverbundenheit hätte sie das nicht geschluckt. Im Vergleich zu dieser Ungeheuerlichkeit kam der Bescheid, Hitler habe P olen den Krieg erklärt und sei bereits ein m ars c hiert, fast erwartet, nicht nur wegen der m artialischen Reden d e r letzten Wochen, sondern auch, weil s i e n i e daran g ezweifelt h atte, daß er Krieg führen würde, wenn m an ihn nicht vorher

Weitere Kostenlose Bücher