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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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vorbeizuschauen, um etwas Theater zu spielen. Es gibt so viele Talente in diesem Land, und es macht Freude, m it ihnen zu arbeiten… richtig zu arbeiten.«
    Sie versprach es und versuchte, zum Abschied etwas Auf m unterndes zu sagen; dabei fielen ihr nur das m ilde kalifornische K li m a, das Meer und die herbe Schönheit der L a ndschaft ein. Reinhardt nickte und seufzte.
    »Ja, es ist am Pazifik wundervoll, und es ist tausend m al schöner, dort zu leben als in New York. G a nz gewiß einer der angeneh m sten Wohnorte auf Erden.« Er m achte eine kleine, hilflose Handbewegung. »Ich bin aber auf der vierten Galerie des Burgtheaters aufgewachsen.«
    Nicht zum ersten Mal war Car l a dankbar für das La m penfieber, selbst für den speziellen Anfall, d e r sie dies m al schlim m er als vor jeder Aufführung seit ihrer ersten Hauptrolle schüttelte. Es brannte Weh m ut und Mitleid und das bitte r e Gefühl hilfloser Ohn m a cht, das Reinhardt und Eleonore in ihr weckten, fort und ließ nur noch ein aus angespannten Nervenfasern bestehendes Gefäß zurück, das darauf wartete, si c h m it der P olin M a ria zu füllen. Selbst als E leonore, die nach Rein h ardts Ab r ei s e m it Hele n e Thi m ig wieder allein war, sie kurz vor der Aufführung in ihrer Gar d erobe aufsuchte, stellte sich nichts anderes ein. Eleonore blieb nicht lange; sie kannte Schauspieler in- und auswendig und deutete C a rlas abwesenden Blick richtig.
    Es fiel Carla auch schwer, sich genügend zu konzentrieren, um die guten W ünsche des P roduzenten und Eddie Feitons ange m essen freundlich entgegenzuneh m en, gerade, was Feiton anging. Als der Vorhang sich hob, entschied sie, daß er doch ein Sadist war. Das Stück bega n n nä m lich m it Marias Auftritt, ei n sam und allein, ohne einen einzigen Dialogpartner in Sic h tweite. Fast jedes andere Stück, ob nun Komödie oder Dra m a, war so konstruiert, daß einige Nebendarsteller zu Beginn das Publ i kum aufwä r m t en und über ihre Gespräche in das The m a des Stückes einführten. Die einzige berüh m te Ausnah m e in der W eltliter a tur war Richard III, und Carla war plötzlich ü b erze u gt, daß Sha k espeare sei n en Hauptdarsteller Richard Burbage gehaßt haben m ußte, weil er ihm so etwas antat. Ed d i e F e iton haßte sie ganz sicher. Das Stück, i h r Gespräch, es w a r alles nur eine List gewesen, um sie der schlim m sten aller Bestrafungen zu unterziehen, einem kalten, gleichgültigen Publiku m , nein, einem feindseligen Publiku m , das nur darauf war t ete, s i e zu zerreißen. Ihre Füße weigerten sich, auch nur einen Schritt zu gehen.
    »Nun m ach schon«, zischte der Regisseur ihr ins Ohr. »Go get them, kid!«
    Er gab ihr einen kleinen Stoß, und einen Mo m ent lang fürchtete sie zu stolpern, doch sie fing sich w i eder. Aber der Akt der Balance brachte ihr nicht n u r i h r Gleich g ewicht. Sie machte einen Schritt, dann noch einen Schritt und spürte, w i e die Leere in ihr sich füllte, m it etwas, das so lebensnotwendig für sie war wie Sauerstoff zum A t m en. Bis sie die Dekorationen verlassen hatte, war Carla verschwunden und hatte Maria zurückg e lassen, von einem langen Arbeitstag erschöpft, aber überzeugt, in A m erika ihr Glück zu m a chen.
     
    Eddie Feiton beobachtete Carla von seinem Platz neben dem Produzenten aus. Es geht doch nichts über das New Yorker Publiku m , dachte er. E r konnte die gespannte Auf m erks a m keit, das Lauern auf einen Fehler spüren, und auch das all m ähliche Anerkennen, die unwilli g e Faszination, während Carla m it traumwandlerischer Sicherheit Szene n ach Szene h i nter s i ch br achte. Er fragte s i ch, ob ihr b ewußt war, was sie da tat, daß es sich um eine ge m einscha f tliche Verführung handelte, seine Worte und ihr Talent gegen alle Anwesenden. Jedes Gelächter mit der Schausp i elerin, statt gegen sie, ein weiteres Zeichen, daß die Verführung erfolgreich war. Als die Pause ka m , erwog er, zu ihr zu gehen, a b er etwas in ihm sträubte sich dagegen. Er wollte sie zuerst seine Schöpfung v o llenden sehen.
    Dorothy Parker, die gnadenloseste und gewitzteste Journalistin, die New York je hervorgebracht hatte, kam zu ihm, als er gerade ei n en Drink an der Bar nah m , und sagte: »Nicht übel konstruiert, Darling, aber wenn s i e nic h t bald schlec h ter wird, werden die Leute in Scharen das Haus verlassen.«
    » W o doch jeder gekommen ist, um sie einbrechen zu sehen.«
    »Genau. Entschuldige m i ch, ich muß

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