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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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    »Ich weiß, wir hab e n erst Anfang März, und m eine Heizung funktioniert nicht, aber so kalt ist es nun auch wieder nicht. Ich w ürde den Mantel ausziehen.«
    »Ist das Ih r e Art, danke zu sagen ? « e r kundigte sich Philipp, während er d em Vorschlag F olge l e istete.
    »Nein«, erwiderte Robert kalt. »Das ist m eine Art, Ihnen zu sagen, daß Sie bleiben können. W enn ich je m a ls Richard III. spiele, brauche ich schließlich ein anderes Modell als Krauß.« Er zitierte langsa m :
    »Wen fürcht ich denn? Mich selbs t ? Sonst ist hier niemand. Richard liebt Richard: das heißt, ich bin ich. Ist hier ein Mörder? Nein. Ja, ich bin hier. So flieh. Wie? Vor dir selbst? Mit gutem Grund: Ich möchte räc h en. Wie? Mich an mir selbst? Ich liebe ja mi c h selb st . Wofür? Für Gutes, das je ich selb s t hätt’ an mir selbst g e ta n ? O leider, nein! Vielmehr hass’ ich m i ch selbst, verhaßter Taten halb, durch mich verübt. Hat mein G e wissen doch viel tausend Zungen, und jede Zunge bringt verschiednes Zeugnis, und jedes Zeugnis straft mich einen Schurken.«
    Er hielt inne, um sich nachz u schenken und etwas zu trinken. Unerwarteterweise griff Philipp den Monolog a u f und zitierte weiter, ohne ihn anzusehen, nicht m it der geübten Intonation eines Schauspielers, aber se h r präzi s e: »Mord, grauser Mord, im fürchterlichsten Grad, stürmt an die Schranken, ruf e nd: Schuldig, schuldig! Ich muß verzweifeln. Kein Geschöpf liebt m ich, und sterb ich, wird sich keine Seel’ erbarmen. Ja, warum soll t en’s andere? Find ich selbst in mir doch kein Erbarmen mit mir selbst. « Er hielt inne, dann sagte er in seiner gewohnten kühlen Art: »I ch hasse Selbst m itleid. S uchen Sie sich ein anderes Modell.«
    »Nichts da. Sie sind dran. Hier, bitte«, schloß er, Philipp die Flasche weiterreichend. »Was m acht e i gentlich Ihr S ohn? Sie haben ihn doch hoffentlich nicht in dem Schreckensge m äuer von Bogenhausen gelassen?«
    »Er ist bei seinen Großeltern. Er er war bei seiner Mutter, und ich dachte, ich hätte sie alle beide v e rloren, als der Anruf kam. Ich bin sofort nach München zurückgekeh r t. Der Kell e r, in dem sie Schutz gesucht hatten, war verschüttet und der Versuch, sie auszugraben, noch nicht erfolgreich. Je m and sagte zu m ir, es habe keinen Sinn m ehr. Aber ich konnte die Vorst e llung, sie wären dort lebendig begraben, nicht aushalten, also m achte ich selbst weiter, und da da geschah es. Das W under. Mein Sohn war noch a m Leben. Er und vier w e it e re. Seine Mutter war tot. Als ich s i e b e ide sah, d i e tote Fr a u und das lebende Kind, zwischen all d e m Schutt, da war es es gibt dort so viele Kinder.«
    »In Polen ? «
    »Ja.«
    Eine Zeitlang tranken sie schwe i gend weiter, und Robert kämpfte die Vorstellungen nieder, die in i h m aufstiegen. Schließlich sagte er:
    »Sie waren doch m al katholisch, oder? Früher?«
    »Vor dem Krieg dem e r sten Krieg ja. W aru m ? «
    »Auf die B e ichte folgt meines W i ssens nach die Buße.«
    »Und welche Buße«, gab Philipp m i t einem Hohn zurück, der sich vor allem gegen ihn selbst richtete, »ist wohl groß genug in diesem Fall ? «
    »Keine, aber ich weiß einen Anfan g . Es hilft Ihnen vielleicht beim Einschlafen. Ich kenne eine junge Frau, die de m nächst deportiert werden wird, wenn m a n sie findet und entdeckt, daß ihre Papiere gefälscht sind, also ist sie zur Zeit unauffindbar und wechselt ständig den W ohnort, aber das kann nicht ewig so weitergehen. Und Ihr Sohn braucht je m anden, der jünger ist als seine Großeltern. W enn Sie diese junge Frau als Erzieherin anstellen w ürden, und ich weiß, Sie hätten dieses Privileg, dann wäre beiden geholfen.«
    »Sie l e rnen Ihre Le k tion wohl n i e. Außerde m , eine Frau ein Tropfen auf d e m heißen Stein -, was soll das schon ändern ? «
    » W ir reden hier nicht von W asser t ropfen«, sagte Robert ärgerlich,
    »sondern von Menschenleben. Es ist m i r klar, daß es verschwendete Liebes m üh wäre, Sie zu überreden, m it der Arbeit für den Endsieg aufzuhören, aber Sie kö n nten etwas m ehr Initiative darin zeigen, Ihre Arbeiter am Leben zu erhalt e n. Und Sie könnten einen konkreten Anfang m it dieser jungen Frau m achen.«
    Nach einer Pause klang Philipps Stim m e rauh aus dem Dunkel:
    »Und Sie würden m i r vertrauen, daß ich das tue? Nach alle m , was Sie wisse n ?«
    »Völlig un v erstän d l icherweise ja. Ich vertraue I h

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