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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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verschwand, lief er über den Seitenab g ang geradewegs ins Parkett. Als er näher kam, entdeckte Jean-Pier r e feine Schweißperlen auf seiner Stirn, aber ansonsten war ihm i mm e r noch keine Anstrengung oder Nervosität anzu m erken.
    »Es war schrecklich, nicht w a hr?« sagte er zu Dieter.
    »Entsetzlich«, stim m t e Dieter zu. »Aber Sie können die Rolle spielen, wenn Sie m i r versprechen, auf m i ch zu hö r en. Sie haben eine wunderbare Bühnenstimme und e ine großartige Präsenz, aber Sie könnten nicht ein m al f r agen, ob der Tee angerichtet ist, ohne von der Bühne gelacht zu werden. Ganz zu schweigen davon, ein menschliches W esen zu verkörpern.«
    Der Junge lächelte, was eine Rei h e erstaunlich kleiner Zähne offenbarte, die im Gegensatz zu dem Rest seiner üppigen Proportionen standen. Ehe er antworten konnte, fuhr Dieter fort:
    »Ich m eine das ernst. Sie sind jetzt schon in dem Stadiu m , wo ein abgewracktes Matineeidol gewöhnlich seine Karriere beendet, aber wir haben hier keinen Dr a m atiker, der eigens für Sie Vehikel schreibt, und es gibt kein Publiku m , das gewillt ist, s ich um der alten Zeiten will e n die er g i e bigsten Sz e nen der W e ltlit e rat u r v on Ihnen vorführen zu lassen. Aber wenn Sie lernen zuzuhören, dann finden Sie heraus, was gut und was schlecht an Ihnen ist, und wir werden hier einen S chauspie l er aus Ihnen machen.«
    »Ich werde zuhören«, versprach der junge Mann m it gebührender D e m ut, und Jean-Pierre lachte.
    »Du hast recht«, sagte er zu Diete r . »Nicht ein auf r ichtiger Ton dabei.«
    Dieter schüttelte den Kopf, aber auch er schaute erheitert drein, während er den Jungen als Robert König vorstellte.
    » W ie alt sind Sie ? « fragte Jean-Pierre.
    »Zweiundzwanzig«, entgegnete der Junge schnell, zu schnell, und Jean-Pierre sank das Herz. Er hätte ihn auf zwanzig oder einundzwanzig geschätzt, doch diese ha s tige Antwort wies darauf hin, daß ihr zukünftiger Herzog noch jünger war. Doch er kam ni c ht dazu, darüber nachzugrübeln, denn dann w ä re ihm die kleine I m provisation entgangen, die Robert König, der o ff ensichtli c h ge m erkt hatte, daß m an ihm ni c ht glaubte, folgen ließ.
    »Und ich habe Herrn Gredner sc h on ein kl e i n es Resü m ee m einer Laufbahn gegeben, Herr Dupont, nur leider konnte ich ihm nicht alles erzä h len, dazu war einfach nic h t die Zeit. Ich habe m it Alexander Moissi und Helene Thi m ig bei Max Reinhardt gespielt. Ich habe ein Dutzend Theaterstücke geschrieben. Ich bin eine Zeitlang m it d e m Zirkus unt er wegs gewesen, als Fe u erschl u cke r in, denn die wollten nun m al eine Frau für den Posten. Dann war ich in Holly w ood, weil Ernst Lubitsch m i ch eingeladen hat, bevor er hinging, und hatte eine Affäre m it Gloria Swanson. Ich h a be in einem kleinen roten Haus nahe der V erbotenen Stadt in Peking gewohnt, für zehn Mark die Woche. Ich bin per Anhalter quer durch Europa gefahren. Ich habe alle großen Wüsten durchquert und die Tuaregs m it Opernarien in den Schlaf gesungen. Aber ich habe Ihnen nicht alles erzählt. Dazu fehlt m i r einfach die Zeit.«
    Während dieses im Ton inbrünstigen Ernstes vorgetragenen Monologs ging ihm nicht ein m al der A t em aus; dann warf er den Kopf zurück und lachte, ein lautes, herzliches Lachen, das durch den leeren nach m ittäglichen T heat e rraum hallte. Jea n -Pie r re und Dieter tauschten einen Blick. W i e es schien, war ihnen tatsächlich ein Phäno m en ins Haus geschneit, doch es in die ange m essene Form z u bringen würde alle Geduld benö t igen, derer sie fähig waren.
     
    Für Robert war Zürich zunächst e inf ach die let z te St a tion de r Reise gewesen, die er Dr. Gold m ann abgerungen hatte. Mit sechzehn die Schule zu beenden war in Dadas Augen in diesen Zeiten im m er größerer Arbeitslosigkeit nur verzeihlich, wenn danach ein Studium folgte, für das Robert m it sei n en Geistesgaben doch offenkundig prädestiniert war. Roberts Eröffnun g , er wolle Schauspieler werden, hatte Entsetzen hervorgerufen. Martin Gold m anns Vorliebe für das Theater beschränkte sich ganz und gar auf das Zuschauerdasein und gewisse Schauspielerinnen. Die Aussicht, Barbaras wun d ervoller Sohn könne sich an diesen Beruf verschwenden, der ihn beinahe sicher rui n ieren würde, m a chte aus i h m sofort das, was er nie gewesen war, einen a lt m odischen Fa m ilienv a ter. Rob e rt zu e r lauben, sich als Globetrotter durch Europa zu schla g en,

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