Unter Den Augen Tzulans
die Kisten hoch.« Der Rogogarder verließ seinen Turm und schwenkte ein Löffelkatapult, das normalerweise für Petroleumgeschosse gedacht war, der Kogge in Richtung des gegenüber liegenden Palestaners. »Spannen und ausrichten.«
Er nahm sich die restlichen achtzehn Granaten, umwickelte sie mit einem Seil, formte daraus ein Bündel und verband immer mehrere Lunten. Aufmerksam verfolgten seine Leute das Tun ihres Kapitäns. »Hört zu. Diese Dinger«, er deutete auf die Sprengkörper, »explodieren scheinbar, wenn man sie da oben ansteckt.« Fünf weitere solcher Holzkisten, die in der Kapitänskajüte gefunden worden waren, wurden neben dem Katapult abgestellt. »Sehr gut. Nun lassen wir es auch mal krachen«, meinte Torben boshaft und legte Feuer an die Zündschnüre. »Mal sehen, ob sie im Flug brennen.« Er löste den Haltezapfen der Schleuder, und die Granaten machten sich beinahe unsichtbar auf den Weg. Das Funkeln der Lunten war fast nicht zu sehen.
Gespannt schauten alle Rogogarder hinüber zu der Kriegskogge, wo das verschnürte, explosive Paket aufschlagen sollte.
»Vorbei?«, wagte es einer, in die Stille hinein zu fragen. »Oder sind diese Funkeldinger ausgegangen?«
»Lunten«, verbesserte Torben fachmännisch, als wüsste er seit Jahren Bescheid.
Sie alle sahen den kleinen Blitz, der einen Moment lang am Vorschiff aufleuchtete, dann krachte es ganz leise. Schreiend stürzten ein paar Palestaner über Bord, kurz darauf verging der komplette Turm samt Bug in einer Flammenwolke und einer gewaltigen Detonation.
»Ah« und »Oh« machten die Freibeuter, glücklich wie kleine Kinder, die etwas Schönes betrachteten.
»So muss das sein! Genau so! Also gut.« Der Kapitän stellte einen Fuß auf eine der Holzkisten. »Dann sorgen wir mal dafür, dass sich das Blatt wendet.«
Die anderen Kriegskoggen hatten das eigene Schiff noch nicht als Verräter erkannt, zu sehr beschäftigten sich die Mannschaften mit dem Erobern der Piraten. Nur die Galeere, die wie eine urtümliche Panzerechse auf der See schwamm, schöpfte Verdacht. Mit einem abrupten Wendemanöver begann sie, ihre Breitseiten mit den Bombardenöffnungen auszurichten.
In aller gebotenen Eile steuerten die Rogogarder das erbeutete Schiff näher an den nächsten Kampfplatz heran, um in Schussweite für die eigenen Katapulte zu gelangen. Torben wusste, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb. Er beschloss, einen Rundumschlag gegen sie zu wagen, auch wenn er Verluste auf der eigenen Seite in Kauf nahm. Aber würde sein Plan nicht gelingen, spielte das ohnehin keine Rolle mehr.
Sorgsam visierte er mit den vier Ballisten, die wie übergroße Armbrüste arbeiteten, die Kapitänskajüte der Kogge direkt vor ihnen an, das Löffelkatapult zielte auf den entfernteren Kontrahenten. »Kalisstra und Ulldrael, lasst es gelingen«, betete er kurz, ließ die Lunten entzünden und gab den Schießbefehl.
Ein Großteil der Granatenbündel durchschlug die Fenster der Kapitänsbehausung und explodierte. Der gegnerische Commodore musste seine eigenen Handbomben unklugerweise bei sich eingelagert haben.
Mit einem mächtigen Blitz zerriss es den Großteil des oberen Decks, in den Resten entstand gleich darauf ein Brand, der das Todesurteil für die Kriegskogge bedeutete. Gleichzeitig detonierten die Granaten auf dem anderen palestanischen Schiff und setzten die Segel in Flammen.
Die Galeere hatte den Verräter inzwischen ausgemacht und zeigte der von den Rogogardern eroberten Kogge die Breitseite, die Luken klappten nach oben.
»Alle Mann von Bord!«, schrie Torben und hechtete mit einem gekonnten Kopfsprung über die Reling ins dunkle Wasser.
Selbst unter der Oberfläche hörte er das gedämpfte Rumpeln der Bombarden, er sah den gewitterhaften Schein der Pulverentladungen, die kopfgroße Eisenkugeln mit titanischer Gewalt in den Rumpf des palestanischen Schiffes jagten. Das Bersten der Planken und Spleißen klang schrecklich, Trümmerstücke regneten herab, klatschten ins Wasser und trieben umher.
Nur im Schutz eines Wrackteils wagte es der Kapitän, aufzutauchen und nach Luft zu schnappen. Um ihn herum hörte er das raue Lachen seiner Männer, die sich trotz der Umstände über die erzielten Erfolge freuten, während hinter ihnen die Kogge erste Schlagseite bekam.
Wer auch immer das turîtische Gefährt befehligte, er verstand keinen Spaß. Zumindest keinen rogogardischen.
Die Galeere drehte sich mit Hilfe entgegengesetzter Ruderbewegungen auf der Stelle und
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