Unter Den Augen Tzulans
er und wendete als Erster sein Reittier. »Er bietet eine wunderbare Ablenkung. Wir versuchen, den Belagerungsring zu durchbrechen und schlagen uns nach Osten durch.«
Mit Mienen der Erleichterung folgten ihm seine Männer.
Der Geschützmeister war mit den letzten Vorbereitungen für den nächsten Schuss fertig, als ein einzelner Reiter aus dem Tor gestürmt kam. Osbin Leod Varèsz machte ein fragendes Gesicht.
»Das ist Arrulskhân«, meldete ein Beobachter, der durch sein Fernrohr die Gestalt erkannt hatte. »Seht euch den an. Er muss direkt vom Kamin auf sein Pferd gesprungen sein.« Er ruckte mit der Sehhilfe ein wenig nach links. »Die hinteren Posten melden, dass die Besatzung einen Durchbruch versucht.«
»Signalisiere, sie sollen sie durchlassen«, befahl der Stratege einem Wimpelträger. »Ob wir sie jetzt töten oder in einem halben Jahr, was macht das schon. Hauptsache, Checskotan gehört uns.« Er schüttelte grinsend den Kopf, als er den brüllenden Herrscher Borasgotans betrachtete. »Gut, Männer. Ersparen wir dem Volk von Borasgotan eine aufwändige Beerdigung.«
Auf seinen Wink hin senkte der Geschützmeister mit schnellem Drehen der Handräder den Lauf der Kanone, bis das Rohr waagerecht stand. »Wenn du ihn triffst, erhältst du zwanzig Waslec«, verkündete Varèsz.
Die Soldaten und die Bedienungsmannschaft schlossen im Hintergrund eifrig Wetten ab.
Die Haltpflöcke wurden entfernt, die Lafette mit vereinten Kräften um wenige Zentimeter nach links ausgerichtet, bis der Geschützmeister dem Fackelträger ein Zeichen gab, der wiederum Feuer an das Zündloch gab.
Donnernd zündete ein Zentner Sprengpulver im hinteren Teil der Bombarde und katapultierte das fünfhundert Kilogramm schwere Steingeschoss mit Rauch und Feuer gegen den anreitenden Arrulskhân.
Zwar scheute dessen Pferd nach dem Krachen des Geschützes, aber es verhinderte damit nicht das Unvermeidliche, das von den Truppen mit lautstarkem Gelächter begleitet wurde. Von dem »Göttlichen« und seinem Ross blieb nicht viel in einem Stück.
»Der Geschützmeister trägt seinen Titel nicht zu Unrecht«, sagte der Stratege anerkennend und warf dem Anführer der Bombardiere zwanzig Waslec zu. »Guter Schuss. Aber dir gebührt noch mehr.«
Varèsz ritt los und lenkte sein Pferd an die Stelle, wo es Arrulskhân IV. getroffen hatte. Für die Einzelheiten interessierte er sich wenig, er suchte etwas Bestimmtes.
Nach kurzem Suchen hatte er es gefunden und spießte es mit seinem Zweihänder auf. Den Griff locker auf den Oberschenkel gelegt, die Spitze emporgereckt, damit seine Beute gut sichtbar war, ritt er zurück zu seinen Leuten.
Mit einer huldvollen Geste senkte er das Fundstück vor dem Geschützmeister herab. »Nimm es und trage es als Erinnerung an den heutigen Tag, an dem deine Bombarde zum ersten Mal glorreich zum Einsatz kam.« Der Mann zog die goldene Perücke von der Klinge und legte sie sich auf den Kopf. »Von heute an heißt du ›Der Goldene‹. Möge dein Augenmaß immer so verlässlich sein. Oder du verlierst diese Auszeichnung samt Kopf.«
Die Tarpoler und Tzulandrier schütteten sich aus vor Heiterkeit.
Der Geschützmeister wusste nicht so ganz, wie er die Zeremonie verstehen sollte, und bedankte sich vorsichtshalber mit einem militärischen Gruß. Varèsz grüßte amüsiert zurück und ritt zu seiner Unterkunft.
Sein Untergebener Widock schrie Befehle und erteilte die Order zum Besetzen von Checskotan.
Jeder, der beim kurzen Marsch zur verwaisten Festung an der Stelle vorbeikam, wo der Kabcar von Borasgotan sich in alle Richtungen verteilt hatte, nahm sich spottend ein Stück vom Seidenmantel als Erinnerung an den denkwürdigen Tag mit, an dem Arrulskhân IV. so passend aus der ulldartischen Geschichte gestrichen worden war.
Seine blutigen Filzpantoffeln baumelten abends am Fahnenmast der Festung.
Ulldart, Tûris, Verbotene Stadt, Frühsommer 444 n.S.
Pashtak nahm seine Gefährtin Shui glücklich in den Arm. »Wir haben es geschafft. Die erste Außenmauer ist vollständig errichtet, und das trotz des harten Winters. Tzulan scheint uns gnädig zu sein.«
»Es sind ja auch genügend für den Gebrannten Gott gestorben«, merkte sie spitz an. »Sowohl von den Menschlingen als auch von unseren Leuten.« Ungerührt stillte sie den kleinsten der vier Nachkommen. Ihre geschlitzten Pupillen wanderten zu ihrem Gefährten.
»Aber es ist schön, dass es funktioniert«, sagte sie versöhnlicher.
Pashtak grinste sie
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