Unter Den Augen Tzulans
an, ein dumpfes Knurren war zu hören. Was bei den Einwohnern von Tûris für Schreckensschreie gesorgt hätte, verstand Shui richtig. Ihr Gefährte amüsierte sich.
»Ich werde wieder zurück zur Baustelle am Tempel gehen. Wir machen sehr gute Fortschritte, und das obwohl uns die Nackthäute einiges an harter Arbeit zunichte machten. Ganz zu schweigen von den vielen Toten.« Er streifte sich seinen leichten Mantel über. Nur die Farbe und das Emblem auf dem abgetragenen Kleidungsstück erinnerten daran, dass der Vorbesitzer eigentlich zur turîtischen Ordnungsmacht gehört hatte. »Aber nun hört man aus allen Unterkünften die Schreie von neuem Leben.«
Shui sah ihn besorgt an. »Kümmere dich im Rat darum, dass es weiterhin genügend Essen für alle gibt. Das Wild der Umgebung ist entweder schon von den Nimmersatten gefressen worden oder vor den Jagdtrupps geflüchtet.« Sie lächelte das pelzige Bündel in ihrem Arm an. »Dabei brauchen die Mütter nun unbedingt Nahrung.«
»Wir sind dabei«, sagte Pashtak. »Wir haben etwas aufgetan, was uns weiterhelfen kann.« Er küsste sie knurrend auf die Stirn. »Ich bin gegen Abend zurück.« Gut gelaunt verließ er die Hütte und trat hinaus in den Schein der Frühlingssonnen.
Zwischen den Steinen der Ruinen, auf den Plätzen und den neu entstehenden Gassen herrschte reges Treiben. Sumpfkreaturen aller Art wieselten geschäftig umher und arbeiteten Hand in Hand, um die Verbotene Stadt auferstehen zu lassen.
Dank der sehr guten Planung der Tzulani machten die Bewohner der einstigen Hauptstadt täglich Fortschritte. Keine Baustelle glich sich von Tag zu Tag, die Entwicklung war sichtbar.
Die neuen Kräne ragten in den blauen Himmel, Tretmühlen und Laufräder klapperten ständig, betätigten Winden, hoben Lasten und bugsierten die schweren Steine in luftige Höhen. Unkraut oder Bewuchs zwischen den Steinplatten suchte man vergebens. Im Grunde machte es den Eindruck, als würden nicht zerstörte oder eingestürzte Gebäude mühsam in ihren alten Zustand gebracht, sondern als errichteten fleißige Erbauer eine völlig neue Stadt zu Ehren Sinureds.
Auch das Umfeld des riesigen Areals erfuhr eine Veränderung. Rodungsmannschaften holzten die Wälder im Umkreis von einer Meile ab, die Tzulani tüftelten an einem Entwässerungssystem, um den Sumpf wenigstens etwas einzudämmen, damit das Klima sich den Sommer über etwas verbesserte. Die ersten Modelle der Tonröhren, die sie einsetzen wollten, wurden gebrannt und probehalber in die feuchte Erde eingelassen. Es schien zu funktionieren.
In weiter Entfernung sah die Sumpfkreatur drei Männer am Rande der Stadt stehen, die den Unternehmungen staunend zusahen.
Er eilte in die Richtung der Wartenden.
Es war wie stets: die Menschen, die etwas verdienen wollten, überwanden die ablehnende Haltung gegenüber dem Fremden als Erste und versuchten, mit ihm ins Geschäft zu kommen. Im Fall der Sumpfkreaturen gab es da wohl keine Ausnahme. Nachdem die Erlasse des Kabcar verkündet worden waren, mussten die Turîten der Umgebung zwangsläufig Waffenstillstand wahren.
Einige von ihnen schienen sich zu sagen, dass man die Einnahmeverluste durch den Wegfall der Kopfgelder, die es unter Mennebar II. noch gegeben hatte, eben durch den Warenaustausch abfangen musste. Es bedurfte etlicher Zusicherungen auf freies Geleit und Unversehrtheit, bis sich eine Abordnung in den Sumpf und die ehemalige Hauptstadt des Kriegsfürsten wagte. Und nun waren sie gekommen.
Pashtak hatte immer wieder geübt, um seine Aussprache zu verbessern und das Nuscheln zu beseitigen, was ihm wegen der hervorstehenden spitzen Zähne nicht vollständig gelang. Aber die Sprache beherrschte er durch die Schulungen der Tzulani nun beinahe perfekt, weshalb er auch dazu ausersehen worden war, die Verhandlungen zu führen.
Auf dem Weg zu der Abordnung fiel ihm siedend heiß ein, dass er den Mantel eines getöteten Turîten trug, also hängte er das Stück im Vorbeigehen über die Strebe eines Baugerüstes. Er wollte die vorsichtige Annäherung nicht durch diesen dummen Fehler in Gefahr bringen. Vor allem, da sie auf die Lieferung von Fleisch angewiesen waren.
Als Mitglied der »Versammlung der Wahren« wusste er, wie sein knochiger, flacher Schädel mit den gelben Augen und den rot schimmernden Pupillen auf die Nackthäute wirkte. Sein muskulöser, gedrungener Körper mit dem Pelz und die kräftigen, krallenbewehrten Hände ließen ihn nicht unbedingt wie jemanden
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