Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
Vom Netzwerk:
Karl. »Und wenn Wahlen in Malta sind. Dann hängt sein Bild überall.«
    »Malta?« Mandelbaum senkte skeptisch das Kinn auf die Brust. »Ich dachte, er ist Italiener. Jedenfalls reist er mit einem italienischen Paß.«
    »Vielleicht hat er zwei Pässe.«
    »Vielleicht.«
    »Wer war die Frau?«
    »Frau Goebbels. Als sie noch Quandt hieß, war sie häufiger im Adlon . Aber seit sie die Gemahlin des Herrn Gauleiters ist, sieht man sie natürlich mehr im Kaiserhof .«
    Karl musterte den Oberpagen. Er schien kein großer Bewunderer von Doktor Joseph Goebbels zu sein. Als er das Wort Gauleiter ausgesprochen hatte, hatte ein kaum wahrnehmbarer verächtlicher Unterton mitgeklungen.
    Karl blickte sich um. »Die Atmosphäre hier scheint den Herren Nationalsozialisten also nicht sonderlich zu behagen. Vermutlich ist sie ihnen zu – kosmopolitisch?«
    »Es wäre zu hoffen«, sagte Mandelbaum, »daß es auch in Zukunft so bleibt.«
    »Die nächsten Wahlen werden Klarheit schaffen«, sagte Karl.
    »Es wäre wünschenswert.« Erwin Mandelbaum hakte Karl kameradschaftlich unter. Ein Pagenmeister stand in der Adlon -Hierarchie auf gleicher Stufe wie ein Detektiv. »Was haben Sie denn eigentlich schon alles vom Haus kennengelernt?«
    Karl zählte auf.
    »Hm, im Keller waren Sie also noch nicht. Den muß ich Ihnen unbedingt als erstes zeigen. Sie werden staunen!« Der Oberpage führte Karl durch einen Vorsaal in den Lese- und Schreibsaal. In einer Raumecke saß ein Riese von einem Mann hinter einer Zeitung. »Herr Direktor Holtsen aus Göteborg, Bankier«, raunte Mandelbaum Karl ins Ohr. »Ein häufiger Gast bei uns.«
    Karl erkannte den Dicken, der gestern die Pagen am Eingang angezogen hatte wie das Licht die Motten.
    Der Hotelkomplex hatte die Form von einem kurzbeinigen T; der längere, waagerechte T-Balken war das eigentliche Hotel und zeigte nach Norden, der lotrechte, kürzere erstreckte sich nach Osten, bestand aus dem Haus Wilhelmstraße 70 a, dem Wirtschaftstrakt und der Weinhandlung. Es existierten mehrere Zugänge zum Weinkeller. Oberpage Mandelbaum führte Karl über eine Wendeltreppe in der Küche in die unterirdische Adlon -Welt.
    Der Kellermeister war eine gute Reklame für die Produkte, die er verwaltete. Er sah aus wie einer der Mönche, die auf Plakaten klösterliche Brauerzeugnisse anpriesen: eine rundliche Gestalt, nicht unförmig, mit rosa Wangen und einer blauen Schürze über dem dunklen Anzug, mit lustig blinzelnden Augen. Um den Hals trug der Kellermeister eine silberne Gliederkette, an der eindrucksvoll die ovale Plakette der Fraterniti des amants de vin baumelte.
    »Der Herr Generaldirektor legt Wert darauf, daß ich Herrn Meunier allen maßgeblichen Leuten im Haus vorstelle«, sagte der Oberpage.
    »Meunier? Na, das klingt ja vertraut wenig teutonisch. Nicht wahr, Mandelbaum?« Der Kellermeister schüttelte Karl überschwenglich die Hand zur Begrüßung. »Ich heiße Obier, und meine Vorfahren sind vermutlich mit den Ihrigen an die Spree gekommen. Jedenfalls willkommen im Adlon . Und Ihren Namen verhunzt man vermutlich genausooft wie meinen.« Er lachte aus vollem Halse. »Zum Beispiel: Oh-Bier !«
    »Oder: Gallgonn «, sagte Karl und stimmte in das Lachen ein. Er schaute sich um: Regale mit liegenden Weinflaschen, nach Gebiet und Jahrgang geordnet. Regale mit stehenden Sekt- und Champagnerflaschen. Faß um Faß an losem Wein.
    Im Schein einer starken Deckenlampe füllte ein Arbeiter Rotwein in Burgunderflaschen, ein zweiter verkorkte sie mit einer hydraulischen Apparatur, ein dritter Arbeiter etikettierte. Überwacht wurden sie von einem Mann, den Karl am liebsten in Timbuktu oder auf der Osterinsel sehen würde.
    »Otto, komm mal kurz her!« rief der Kellermeister, und zu Karl gewandt sagte er: »Mein Assistent, Otto Kassner.« Während Karl auf das Wiedersehen nicht gänzlich unvorbereitet war, erwischte es Kassner kalt. Er merkte gar nicht, daß Obier scherzte, als er Karl als neue rechte Hand von Louis Adlon vorstellte.
    »Wir kennen uns«, sagte Karl, und in seiner Stimme schwang nicht gerade Begeisterung mit.
    »Sehr erfreut, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen, Herr Meunier«, stotterte Kassner.
    »Ganz meinerseits«, sagte Karl eisig.
    »Sie kennen sich?« sagte Obier.
    »Herr Kassner war Unteroffizier in meinem Regiment«, erklärte Karl.
    Kassner nickte. »In Frankreich. Darf ich fragen, was Sie zu uns führt?«
    »Hab ich dir doch eben erklärt, Otto. Herr Meunier ist vom Generaldirektor

Weitere Kostenlose Bücher