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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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General, der bei ihm einquartiert war, davon berichtet. Und dieser General war zufällig nicht korrupt.«
    Vera hatte ihm schweigend zugehört. Sie hatten den Kurfürstendamm überquert, sich Richtung Halensee gehalten und waren dann in die Grolmanstraße abgebogen.
    Die kleine Kneipe am Savignyplatz hieß Zur Sonne und war eine ganz normale Eckpinte im ansonsten vornehmen Berliner Westen. Vera schien hier bekannt. Der Wirt duzte sie, und Karl gleich mit. Er war ein vollbärtiger Alter mit lustigen Augen, einer gestreiften Budikerweste und einer Melone auf dem schütteren weißen Haar.
    Vera umarmte den Alten, stellte Karl vor und quetschte sich auf die Sitzbank am Tresen. Karl rückte neben sie.
    »Na, Kinder, da habt ihr euch aber feingemacht, um bei Opa Giesecke noch eins zu zischen.« Er fing zwei große Pils an.
    »Opa Giesecke ist unser Seelentröster«, sagte Vera. »Er war früher beim Zirkus. Alle Artisten und Akrobaten kommen zu ihm, wenn sie sich in Ruhe ausheulen wollen.«
    »Na, na, Kindchen! Manchmal gibt es ja auch was zu feiern. – Ist das dein neuer Schatz?«
    Täuschte sich Karl, oder errötete Vera leicht? Sie blieb indes schlagfertig. »Das ist mein reicher Onkel aus Amerika. Er wohnt im Adlon und führt mich in das Berliner Nachtleben ein.«
    »Sie lügt wie gedruckt. Glauben Sie ihr bitte kein einziges Wort, Opa Giesecke – wenn ich Sie auch so nennen darf. Karl heiße ich, im Adlon arbeite ich, und Amerika kenne ich von der Landkarte.«
    »Hab ich doch gleich geahnt!« Opa Giesecke stellte zwei perfekt gezapfte Pils auf den Tresen. »Von wegen Onkel! Kindchen, dich kenn ich doch nicht erst seit gestern. Der Karl ist doch genau dein Typ!« Opa Gieseckes Augen funkelten. »Siehste, Karl. Ich hab ins Schwarze getroffen, jetzt wird sie rot!«
    Vera errötete tatsächlich.
    ›Ein giftgrüner Vamp mit rosigen Wangen‹, dachte Karl.
    Vera versuchte, ihre Unsicherheit zu überspielen. »Zum Wohl, Herr Karl.«
    Karl stieß mit ihr an. »Lassen Sie doch das Herr.«
    »Nur wenn du mich nicht mehr Fräulein Vera nennst. Entweder einfach Vera oder Fräulein Vendura. Du kannst es dir aussuchen.«
    »Prost, Vera!« sagte Karl und verliebte sich restlos und endgültig in Vera Vendura, die mit bürgerlichem Namen Binder hieß und das bezauberndste Lachen der Welt lachte, als er ihr ins Ohr flüsterte, mit der Anrede Onkel könne er sehr wohl leben.
    Opa Giesecke stellte zwei frische Bier vor sie. »Amüsiert ihr euch gut, Kinder?« Er drehte das Bierglas, daß Karl den Aufdruck sehen konnte.
    »Da steht ja Adlon drauf!« sagte Vera.
    »Da staunt ihr, was? Aber guck mal auf dein Glas, Kindchen.«
    » Pera Palace «, las Vera. »Das große Hotel in Konstantinopel?«
    »Genau. Und hier sind noch mehr Gläser von überall her.« Opa Giesecke öffnete eine Vitrine hinter dem Tresen. »Hab von frühauf gesammelt. Nach jeder Tournee waren es ein paar mehr. Die meisten Gläser sind natürlich – äh, wie soll ich sagen …«
    »… weggefunden worden?« kam ihm Karl zu Hilfe.
    »Genau! Weggefunden ist das richtige Wort.« Der Alte kicherte in seinen Bart.
    »Von dieser Sammlung wußte ich nichts«, sagte Vera.
    »Ich benutze die Gläser auch so gut wie nie«, sagte der Alte. »Nur bei besonderer Gelegenheit. Und heute ist ja wohl ein besonderer Tag für euch.«
    Vera wollte protestieren, aber Opa Giesecke schnitt ihr das Wort ab. »Flunker nicht wieder, Vera. Seh ich dir doch an der Nasenspitze an, daß das so ist.«
    Karl nahm einen Schluck.
    »Und dir auch, Karl, obwohl du deinen Zinken gerade in der Tulpe versteckst.«
    Vera und Karl schauten sich an und prusteten los.
    »Na, seht ihr, Kinder, mich könnt ihr nicht hinters Licht führen.«
    Karl hatte sich verschluckt und bekam einen Hustenanfall. Vera schlug ihm kräftig auf den Rücken.
    »Laß ihn ganz, Kindchen, brauchst ihn heute noch lebendig.« Etliche Mollen später standen Vera und Karl am Savignyplatz und warteten auf ein Taxi.
    »Ich habe seit Tagen nicht geheizt«, sagte Karl.
    »Macht nichts, Onkel. Mir ist warm.«

20.
    K ARL SCHWÖRT, UM SEINEN N ACHTISCH ZU BEKOMMEN
    Klapperndes Geschirr weckte Karl. Er warf einen irritierten Blick auf die Uhr, dann erinnerte er sich: Heute war Samstag, und er hatte vorsorglich mit seinem Kollegen getauscht. Erst am Nachmittag mußte er wieder ins Adlon . Karl gähnte herzhaft. Viel geschlafen hatten sie nicht. Sie hatten sich geliebt, und dann hatten sie sich unterhalten. Vera hatte angefangen zu reden, und

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