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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Türfüllung. Die ist sogar noch von den Völkerwanderungen.«
    »Wenigstens stammen Sie nicht aus der Völkerwanderungszeit und haben hoffentlich eine gültige Fahrerlaubnis.«
    Vom Bayerischen Platz her blinkte eine Anzahl blauer Leuchten.
    »Scheiße«, sagte der Finne. »Schon wieder eine Mausefalle, das ist langsam geschäftsschädigend!« Er schlug das Lenkrad hart ein und wendete. Die Karosserie ächzte unter der plötzlichen Belastung, brach aber rätselhafterweise nicht auseinander. »Halten die einen an, dauert das oft ewig, und die Fahrgäste werden sauer und steigen aus.« Er bog in die nächste Seitenstraße ein.
    Benno bot den Anblick eines verdienten Konteradmirals von einem Karibikstaat. Gold die Epauletten, silberne Litzen, marineblau die Uniform, golden auch der Schirm der Admiralsmütze. Und erst der Befehlshaberstab! Die schlanke Silberstange reichte Benno bis zum Kinn. Eine tennisballgroße geschliffene Kristallkugel schmückte ihre Spitze. Was nur die wenigsten wußten: Der lange Stab ließ sich mit einer einzigen Drehung in zwei handliche Prügel zerlegen, die Benno in emsiger Heimarbeit mit flüssigem Blei ausgegossen hatte. ( »Wennet mal richtich ernst wird, Karlchen, greif ick zur Psücholojie!« )
    Karl bezahlte. »Sind Sie telefonisch erreichbar?«
    »Mein Schwiegervater hat in der Werkstatt einen Anschluß. Wieso?«
    »Manchmal fragen Hotelgäste mich nach einem vertrauenswürdigen Taxichauffeur.«
    »Bin die Vertrauenswürdigkeit in Person!« sagte der Finne und machte eine Grimasse wie ein Massenmörder. »Lasset die Kindlein zu mir kommen!« Er gab Karl eine bedruckte Karte: G. Rathsack, Taxi- und Fuhrunternehmer: Transportiere alles, Kind und Kegel, Sack und Pack! »Dann noch einen schönen Abend allesamt!«
    Als der Wagen anfuhr, hielten sich Karl und Vera die Ohren zu.
    Benno küßte Vera die Hand: »Ick hab Sie schon beim Alten anjekündicht.« Karl bekam einen Rippenstoß. »Und dir ooch: als hohet Tier aus’m Adlon . Ihr möjet euch als seine Jäste fühln. Er kommt dann zu euch an’n Tisch.«
    »Das war sehr liebenswürdig von Ihnen, Herr Benno.« Vera gab ihm einen Kuß auf die Wange. Der Türsteher strahlte wie ein Honigkuchenpferd. »Siehste, Karlchen, mir mag Se! – Aber nu rin mit euch! Det Programm jeht jleich los.«
    Berta, die Garderobenfrau, war eine sächselnde, freundliche, ältere Mulattin. Karl bekam Metallmarken mit eingestanzten Nummern im Austausch für zwei Einemarkstücke.
    »Sind Sie die Freunde von Benno?« Ein Kellner nahm sie an einer mit rotem Plüsch verkleideten Flügeltür in Empfang. »Ja? – Dann darf ich Sie an den Dreiertisch vor der Bühne bitten!«
    Ein Dreimannorchester in einer Nische spielte sanften Jazz. Karl kannte die Melodie: Dreaming in the Dark . Vera offenbar auch. Sie summte mit. Karl musterte verstohlen seine Begleiterin, als sie die pompöse Karte studierte, die der Kellner mit grandezza überreicht hatte. Karl hatte er zugeflüstert: »Der Chef läßt bestellen, daß die Getränke auf seine Rechnung gehen.«
    Vera trug ein ärmelloses Kleid mit tiefem Ausschnitt und als einzigen Schmuck eine lange Perlenkette. Das Kleid war knielang, eng tailliert und aus giftgrüner Rohseide, mit langen seitlichen Schlitzen. Jemanden mit hellem Teint hätte die Farbe vernichtet, aber ihr stand das aggressive Grün. Karl hatte Vera bereits im Turnanzug ungewöhnlich attraktiv gefunden – Vera im Abendkleid war atemberaubend.
    Sie erwischte ihn in einem Augenblick, in dem er sie ziemlich unverblümt anstarrte. Sie zog fragend die Augenbrauen hoch, lächelte und schlug die Beine übereinander. Ein wohlgeformter Oberschenkel wurde länger und länger. »Nun, Herr Karl, schon gewählt?«
    Karl zupfte nervös am Krawattenknoten. Der dunkle Abendanzug, eine Okkasion aus dem Leihhaus Schönlein, war brandneu, stammte aus einem Bankrott. Der Schneider hatte bloß die Hosen ein Stück kürzen müssen. »Was nehmen Sie?«
    Vera heuchelte Schüchternheit. Sie spielte das kleine Mädchen, das zum ersten Mal in einem Nachtklub ist. Karl lernte, daß seine Begleiterin eine ausgezeichnete Schauspielerin war. Er mußte sich zusammennehmen, um nicht lauthals loszulachen, als sie mit piepsiger Stimme sagte: »Ich muß doch hier nicht etwa Alkohol trinken?«
    Er schätzte Vera auf Mitte Zwanzig, aber das Mädchen, das um Apfelsaft bettelte, war keinen Tag älter als Fünfzehn.
    »Um Gottes willen, nein! Tee, Apfelsaft, Milchmixgetränke, was Sie wollen!«
    Sie

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