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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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österreichischen Gefreiten in die Knie sinkt!«
    Karl nickte ernst. »Ich pflichte Ihnen bei, Herr Weiß! Von einer Einbindung Hitlers in von Papens Politik merkt man wahrhaftig nicht allzuviel.«
    Bernhard Weiß sah erschöpft aus. Er lockerte die Krawatte und legte sich aufs Bett. Karl gelang es mühsam, ein Gähnen zu unterdrücken. ›Ich muß irgendwo eine Mütze voll Schlaf kriegen‹, dachte er.
    »Ich erwarte gegen sieben einen Anruf. Bitte veranlassen Sie, daß er unverzüglich durchgestellt wird.«
    »Sehr wohl!« sagte Karl. »Das Taxi steht schon jetzt für Sie bereit.«
    Karl reichte ihm den Zimmerschlüssel. Bernhard Weiß erhob sich. Auf dem Flur hörte Karl, wie der Schlüssel ins Schloß geschoben und zweimal gedreht wurde.
    »Herr Weiß erwartet um sieben einen Anruf.«
    »Ist mir bekannt. Ich habe dafür gesorgt, daß er auf meinem Apparat ankommt, Meunier. Die Plinz ist von Fräulein Plötz abgelöst worden. Wo erreiche ich Sie?«
    »Ich werde mich bei Obier im Büro ein wenig ausstrecken, falls Sie gestatten.«
    »Tun Sie das, Meunier, tun Sie das! Ich falle auch gleich tot um.«
    »Falls Sie nicht geweckt werden wollen, Herr Generaldirektor, kann ich im Weinkeller den Anruf entgegennehmen.«
    »Lassen Sie mal, Meunier! Ich verschlafe ihn schon nicht, falls Sie das befürchten. Fräulein Plötz hat Order, so lange klingeln zu lassen, bis ich mich melde, und falls das nicht wirken sollte, schickt sie einen Pagen hoch. – Und nun versuchen Sie, daß Sie wenigstens ein Nickerchen machen!«
    »Ihnen auch eine gute Nacht, Herr Generaldirektor.« Karl wandte sich zum Gehen.
    »Und …«
    »Ja, Herr Generaldirektor?«
    »Danke, Meunier!«
    Karl lächelte und verbeugte sich.
    Er ging zur Telefonzentrale hinter der Rezeption. »Sie noch hier, Herr Meunier? – Ist das nicht schrecklich mit dem Reichstag?«
    ›Von mir aus kann ganz Mitte abfackeln, ich muß jetzt endlich schlafen‹, dachte Karl. Laut sagte er: »Eine Katastrophe! – Ich bin seit achtzehn Stunden ununterbrochen auf den Beinen. Frau Fleischer hat die Grippe. Ich habe zusätzlich ihre Schicht übernommen.«
    »Danach sehen Sie auch aus!«
    Karl schaute in den Spiegel über dem Stöpselkasten. ›Ich habe Augenränder, als würde ich gleich die Löffel abgeben!‹
    »Ich werde versuchen, mich für ein paar Stunden unten aufs Ohr zu legen. Bitte klingeln Sie um halb sieben mal durch.«
    Fräulein Plötz notierte. »Bei mir kratzt es auch schon im Hals. Möchten Sie einen Hustenbonbon?«
    »Mich dürfen die Bazillen nicht beißen. Nein danke!«
    Aus seinem Spind im Kuriersaal holte Karl sich ein frisches Oberhemd und Rasierzeug. In Obiers Büro legte er sich auf den Schreibtisch. Zwei zusammengerollte Kellerschürzen dienten ihm als Kopfkissen. Er fiel augenblicklich in Tiefschlaf.

12.
    F LUCHT IM M ORGENGRAUEN
    Es war ein traumloser Erschöpfungsschlaf, aus dem ihn das Klingeln des Telefons zerrte. Nicht die Telefonistin, sondern Louis Adlon meldete sich: »Könnten Sie nachsehen, ob der Taxifahrer noch da ist, und dann gleich zu mir kommen?«
    Karl rasierte sich hastig und wechselte das Oberhemd. Ein Zimmer an der Wilhelmstraßenfront war nicht belegt. Karl öffnete mit dem Generalschlüssel und beugte sich aus dem Fenster. Das Taxi stand vor der Weinhandlung.
    Louis Adlon hatte sich Kaffee bringen lassen, auch eine Tasse für Karl.
    »Danke, das tut gut!«
    Louis Adlon saß im Morgenmantel am Schreibtisch und reichte Karl einen Stadtplan. Es war eine Karte von Potsdam und Babelsberg.
    »Nur, falls der Fahrer sich nicht auskennen sollte! Er soll Herrn Weiß an der Auffahrt zur Sternwarte absetzen.«
    Ein Bleistiftkreuz kennzeichnete die Stelle auf dem Plan.
    Bernhard Weiß hatte in Hut und Mantel hinter der Tür gewartet und öffnete augenblicklich, als Karl sich mit Namen meldete. Es klickte metallisch in seiner Manteltasche. Bernhard Weiß hatte den Sicherungsbügel des Revolvers zurückschnappen lassen.
    Wortlos folgte er Karl. Dieses Mal wählte Karl einen anderen Weg. Im Kellergeschoß herrschte bereits Hochbetrieb. Sie erreichten den Ausgang Wilhelmstraße, indem sie die Treppe benutzten, die zum Hallenende hinabführte, und dann durch den Goethe-Garten und den Bankettsaal in den Wirtschaftsflügel gingen.
    »Ihre Tasche hat wieder den Weg zu Ihnen gefunden?« Karl deutete auf die grüne Aktentasche.
    »Ja, wieso?«
    »Sie ist durch viele Hände gegangen, und nicht bloß hier im Haus.«
    Über die Lippen des ehemaligen

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