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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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frühstückt auf dem Zimmer.« Der Kellner eilte zum Speiseaufzug am Flurende.
    Karl setzte sich und behielt Duisbergs und Kränzleins Appartements im Auge. Er blätterte in der Zeitung und bemerkte die Männer erst, als sie in sein Blickfeld tauchten. Sie nickten ihm zu und gingen weiter. Offenbar hielten sie ihn für den Etagenkellner. Karl hatte Kriminalbeamte in knarrenden Schuhen erwartet. Diese Männer kamen auf modischen Kreppsohlen, waren elegant gekleidet und hätten sehr wohl Gäste sein können. Karl erkannte in dem jüngeren der beiden den Begleiter der Rothaarigen. Beide Männer hatten entweder sehr prall gefüllte Brieftaschen oder eine Waffe unter den Jacketts.
    Klempert löste Karl wie versprochen ab. Kränzlein und Duisberg hatten sich in Duisbergs Zimmer zurückgezogen.
    Karl ging in die Personalkantine und traf dort Obier und Fliegenwald.
    »Na, Karl, Postenschieben beendet?« Obiers Zeige- und Mittelfinger liefen über die Tischdecke im Stechschritt Streife.
    »Auf die Adlon -Buschtrommeln ist doch immer Verlaß!« Er setzte sich neben Fliegenwald. »Klempert hat mich abgelöst.«
    Der Kellermeister besprach mit Fliegenwald die Weinfolge für das IG-Farben-Mittagessen im Bankettsaal. Ausgerichtet wurde das Essen vom NSDAP-Wirtschaftsamt.
    »Vergiß nicht, eine neue Flasche Linie Aquavit nach oben zu schicken«, sagte Fliegenwald. »Direktor Holtsen steht auf der Gästeliste von Doktor Randhuber.«
    »Ich habe extra seinetwegen einen Karton nachbestellt«, sagte Obier.
    Karl schaltete sich in das Gespräch ein. »Es ist mir ein Rätsel! Er trinkt das Zeug wie Wasser, aber man merkt ihm nie etwas an.«
    »Na, ist doch kein Wunder bei der Körpermasse.« Fliegenwald blähte illustrierend die Backen und umfaßte mit den Armen eine imaginäre Tonne.
    Klempert erschien. »Du mußt nach dem Frühstück nicht mehr rauf.«
    »So?« Karl zog fragend die Augenbrauen hoch.
    Fliegenwald sagte zum Kellermeister: »Mit uns ist alles klar?« Obier nickte. Fliegenwald ging.
    Klempert setzte sich auf Fliegenwalds Platz. »Was immer wir da bewachen sollten, ist abgeholt worden.« Er bat Karl um den Zuckerstreuer.
    »Hier, bitte! – Von wem?«
    »Randhuber kam mit drei SS-Uniformierten. Kränzlein und Duisberg waren besorgt, weil sie nicht bewaffnet waren, aber Randhuber hat gesagt, daß man ausreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen hätte.«
    »Es laufen ein paar Leute mit eindeutigen Ausbeulungen am Leib im Haus herum«, sagte Karl.
    »Ich war im Weinladen, als Randhubers Truppe aus dem Wirtschaftseingang kam«, sagte Obier. »Sie wurden von vier Zivilisten begleitet, auf die deine Beschreibung zutrifft. Jeder SS-Mann schleppte zwei Stapel verschnürter Aktenordner zu einem schwarzen Mercedes auf der anderen Straßenseite.«
    »Ich meine auf dem Flur gehört zu haben, wie Randhuber den SS-Leuten sagte, daß die Sachen zum IG-Farben-Gebäude gefahren werden müßten«, sagte Klempert.
    »Das kann sein«, sagte Obier. »Die SS-Männer haben die Aktenordner in den Kofferraum von dem Mercedes gelegt und sind in einen Lastwagen gestiegen. Randhuber und die vier Zivilen haben sich in den Mercedes gesetzt und sind ihnen Richtung Linden hinterher. Ziemlich viel Aufwand für eine Fuhre Papier, wenn du mich fragst.«
    »Die IG-Farben plant ein zentrales Kunststoff-Forschungsinstitut für die Industrie. Falls dieser Aktenberg damit zu tun hatte, Patente, Produktionsverfahren und so weiter, dann war er wertvoller als ein Waggon voller Goldbarren!«
    »Und was kann man mit dem Zeug anfangen, diesem Kunststoff , meine ich?«
    »Ich bin da auch nicht so recht auf dem laufenden. Aber wie der Name schon sagt: Man imitiert Rohstoffe, besonders vermutlich solche, die das Reich nicht besitzt. Im Krieg hatten wir reichlich Probleme mit fehlenden Rohstoffen. Ich denke da zum Beispiel an Kautschuk oder Erdöl.«
    »Tja«, sagte Obier. »Das leuchtet irgendwie ein. Die Kolonien sind ja wohl auf Nimmerwiedersehen flöten.«
    Als die IG-Farben-Mittagsgesellschaft im Bankettsaal tafelte, nutzte Karl seine Mittagspause zu einem kleinen Nickerchen hinter den Garderobenschränken im Kurierzimmer. Sein Arbeitstag war noch lang, und die vergangene Nacht war sehr kurz gewesen.
    Am Nachmittag stand Routinearbeit an. Karl überprüfte die Alkoholbestände in der Adlon- Bar mit den Bon-Büchern. Er konnte keine nennenswerten Differenzen feststellen. Dann überzeugte er sich davon, daß die Generalschlüssel im Rezeptionstresor alle vollzählig

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