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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Vizepolizeichefs spielte der Anflug eines Lächelns. »Das, Herr Meunier, war beabsichtigt.«
    Im Wirtschaftstrakt begegneten ihnen zwei Putzfrauen. Sie grüßten Karl. Seinen Begleiter schien plötzlich auch die Grippe erwischt zu haben. Er schneuzte in ein großes kariertes Taschentuch.
    Die Pförtnerloge vom Eingang Wilhelmstraße war wieder besetzt. Karl lehnte sich in die Fensteröffnung der Kammer und wechselte ein paar Worte mit dem Portier. Bernhard Weiß trat hinter seinem Rücken unbemerkt auf die Wilhelmstraße.
    Karl gab dem Finnen den Stadtplan.
    »Die Sternwarte in Babelsberg? Kenne ich!«
    Bernhard Weiß saß bereits im Fond des Taxis und kurbelte das Fenster herunter. »Ich danke Ihnen, Herr Meunier! Und bestellen Sie Herrn Adlon, daß ich ihm das alles nie vergessen werde!« Er kurbelte das Fenster hoch.
    Täuschte sich Karl, oder grüßte Bernhard Weiß ihn wirklich militärisch, als der Wagen anrollte?
    Im Adlon waren die Etagenkellner damit beschäftigt, Frühstück auf den Zimmern zu servieren. Der Reichstagsbrand war allerorts das Thema Nummer eins.
    »Sie haben das Feuer noch immer nicht vollständig unter Kontrolle.« Obier gab Karl die Morgenpost . »Ein Tatverdächtiger ist schon verhaftet worden. Soll ein Kommunist sein.«
    »Wenn es irgendwo brennt, sind es ja meistens die Kommunisten.«
    »Dieses Mal scheint es zu stimmen. Der Mann soll gestanden haben.«
    »Kann ich die haben?« Karl faltete die Zeitung. »Ich muß erst zu L. A., mich abmelden.«
    »Warst du die Nacht über auch noch im Haus?«
    Karl nickte grimmig. »Sieht man mir das nicht an?«
    Louis Adlon schüttelte kaum merklich den Kopf, als Karl das Büro betrat. Der Generaldirektor hatte zu früher Stunde hohen Besuch. Laut sagte er: »Das trifft sich, daß Sie gerade hereinschauen, Herr Meunier. Die beiden Herren hier sind vom Außenpolitischen Amt der NSDAP. In der nächsten Zeit wird das Adlon mehrere Veranstaltungen des Amtes beherbergen.«
    Karl verbeugte sich knapp.
    »Herr Meunier ist für die Sicherheitsbelange im Haus verantwortlich«, erklärte Louis Adlon.
    »Wir werden unsere eigenen Sicherheitsleute mitbringen«, sagte einer der Männer. »Bitte stellen Sie dann Herrn Meunier vor, damit es keine Mißverständnisse gibt.«
    »Selbstverständlich, meine Herren! – Ich nehme an, Sie wollten sich bloß abmelden, Meunier?«
    »Ja, Herr Generaldirektor. Es gab im Haus keinerlei besondere Vorkommnisse.«
    »Dann wünsche ich Ihnen geruhsame Tage.« Louis Adlon lächelte.
    »Danke, Herr Generaldirektor!« Karl verbeugte sich nochmals und ging.
    »Herr Meunier hat ein paar Tage Urlaub«, hörte er L. A. noch sagen.
    Karl frühstückte im Kurierzimmer, packte seine Aktentasche und ging zur Rezeption.
    Emil Klempert verzog das Gesicht, als er ihn sah. »Mensch, Karl, siehst aus wie der Tod auf Latschen.«
    »Genauso fühle ich mich auch. Aber nicht mehr lange. Die nächsten drei Tage hat L. A. mir freigegeben. Deshalb komme ich auch noch mal hier vorbei, Emil. Lilo liegt ja weiterhin flach. Wenn was Dringendes vorliegen sollte, schick mir ein Telegramm.«
    Karl verließ das Adlon durch den Lindeneingang. Die Luft war kalt, aber der Himmel klar. Vor dem Brandenburger Tor stand feldmarschmäßig ausgerüstete Schutzpolizei. Der Einser fuhr ihm vor der Nase weg. Karl beschloß, ein Taxi zu nehmen. Auf der Friedrichstraße überschrien sich die Zeitungsverkäufer mit den neuesten Nachrichten über den Reichstagsbrand.
    In der Florastraße sägte und hämmerte jemand im Hinterhaus. Das Schlafzimmer glich einem Eiskeller. Karl legte eine Extradecke über sein Bett und schlief trotz des Baulärms auf der Stelle ein.

13.
    Z WIEBELSAFT UND W ADENWICKEL
    Es wurden, wie Louis Adlon es gewünscht hatte, drei ruhige Urlaubstage für Karl, sogar drei sehr ruhige. Als Vera ihn am Nachmittag besuchen kam, hatte Karl hohes Fieber, stechende Kopfschmerzen und wurde von Hustenanfällen geschüttelt. Die Bazillen hatten ihn doch nicht verschont.
    Vera heizte erst in der gesamten Wohnung und braute dann ein gefürchtetes Hausmittel – Karl hatte schon einmal das Vergnügen gehabt, damit medikamentiert zu werden: heißen Zwiebelsaftextrakt mit Honig. Die hellgelbe Flüssigkeit war stark gewöhnungsbedürftig, aber sie wirkte. Karl trank mit Todesverachtung. Der Hustenreiz ließ tatsächlich nach. Gegen das Fieber verordnete Vera Wadenwickel. Karl protestierte matt. Aber wieder hatte Vera recht. Mit dem Fieber schwanden auch die Kopfschmerzen.

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