Unter den Sternen von Rio
sich zu viel in Nachtclubs herumgetrieben und allzu oft versucht, sich seinen Kummer wegzutrinken. So ging das nicht weiter. Caro hin oder her – er musste wieder zu sich selbst finden, bevor er hoffen konnte, dass sie zu ihm fand. Ja, bereits die Vorfreude auf einen Ortswechsel und die Abwechslung belebten ihn, und die eigentliche Reise würde sein altes Selbst wieder zum Vorschein bringen.
Er machte sich unverzüglich an die Planung. Er schrieb reihenweise Briefe an alte Freunde und neue Förderer, an Behörden und an Einrichtungen der militärischen wie der zivilen Luftfahrt in aller Welt. Er besorgte sich Karten aller Regionen, die er überfliegen würde beziehungsweise in denen er zwischenlanden müsste. Er setzte sich in Verbindung mit den Botschaften aller Länder, die er auf seiner Reise passierte, damit sie ihm Visa und sonstige Genehmigungen erteilten, die vielleicht erforderlich wären, Zollbefreiungspapiere und Ähnliches. Er erstellte eine Liste der Dinge, die es vor dem langen Flug anzuschaffen galt. Dazu gehörten praktische Alltagsgegenstände genauso wie etwa Geschenke für seine nordamerikanischen Gesprächspartner.
Insbesondere aber widmete er sich dem Fluggerät und seiner Tauglichkeit. Er überprüfte alles doppelt und dreifach, vom Fahrwerk bis zum Seitenruder, von der Beleuchtung bis zum künstlichen Horizont, vom Gasgemischhebel bis zur Steuersäule. Er schaffte ein neues Funksystem an, ließ bequemere Sitze einbauen und einige Vorrichtungen installieren, die ihm das Leben während der langen Stunden allein in der Luft erleichtern würden, etwa Halterungen für Getränkeflaschen oder Klemmen zur Befestigung der Karten. Ohne Copilot oder Navigator konnte schon die kleinste Unachtsamkeit, etwa weil ihm in einer Turbulenz die Karte außer Reichweite rutschte, zu einem Unglück führen.
Er führte eine Reihe von Übungsflügen durch, um festzustellen, was noch verbessert werden konnte oder ob noch etwas fehlte. Er flog durch dichte Wolken und bei Dunkelheit, er flog gegen die tiefstehende Sonne oder bei Regen. Sein Flugzeug war robust, was er ja auch schon bei seinen Gewitterflügen festgestellt hatte. Es gab Flugzeuge, die beim kleinsten Fehler oder sogar bei ein wenig stärkerem Wind kaum noch zu bändigen waren, seines aber war gutmütig. Man konnte eigentlich gar nichts falsch machen. Und seine Route war ebenfalls einfach: immer an der Küste entlang nach Norden, über die Antillen hinweg und dann wieder dem Küstenverlauf gen Norden folgen. Es war idiotensicher. Im Grunde brauchte er nicht einmal eine Karte. Sie gab ihm nur Aufschluss darüber, wo sich Landeplätze befanden, auf denen man auch Treibstoff bekam, oder wo man auf höhere Berge achten musste, was, wenn er über dem Meer blieb, irrelevant war. Auch die Wetterbedingungen waren im Mai auf der gesamten Strecke gut, die Hurrikane in der Karibik zogen normalerweise erst später im Jahr auf. Alles war perfekt. António freute sich unbändig auf seine Reise. Die Vorbereitungen hatten ihm gutgetan, er war in einer Hochstimmung, wie sie ihn sonst nur beim Fliegen spektakulärer Manöver überkam. Er konnte es kaum noch erwarten.
Wenige Tage vor seinem geplanten Aufbruch fuhr er zu dem Flugplatz. Das Wetter war traumhaft, einige wenige Kumulus-Wolken lockerten das endlose Blau des Himmels auf. Die Sonne erschien gerade erst über dem Horizont und tauchte Rio in ein rosafarbenes Licht. Er inspizierte das Flugzeug flüchtiger als sonst, denn er wusste, dass es sich in tadellosem Zustand befand. Außerdem machte er ja nur einen kleinen Routineflug. Vielleicht ein wenig über die Strände des Südens und die Wälder im Hinterland fliegen, dazu ein paar künstlich herbeigeführte
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Strömungsabrisse, die das Flugzeug seitlich abkippen und senkrecht nach unten stürzen ließen. Sie waren ungefährlich, wenn man wusste, wie man in der Strömung rechtzeitig den Halt zurückgewann. Sie versetzten ihn jedes Mal in einen wahren Glückstaumel, während Passagiere, die die physikalischen Gesetze der Fliegerei nicht verstanden, fast immer Todesängste litten. Er konnte seine geliebten
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also nur allein durchführen. Am besten sogar ohne Zuschauer, denn auch die erschraken häufig und glaubten, Zeugen eines Absturzes zu werden. Das hieß, er würde weit aufs Meer hinausfliegen müssen, denn an den Stränden gab es immer Menschen, die stehen blieben, zuschauten und sogar winkten, wenn sie ein Flugzeug entdeckten.
Der Start war im wahrsten
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