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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Cousine an.
    »Kann es sein, dass ihr heute ein bisschen aufmüpfig seid?«, fragte Dona Vitória lächelnd.
    »Lass sie doch«, schritt Joana ein. »Außerdem stimmt es ja: Diese Suppe ist einfach wunderbar. Sie erinnert mich an so vieles von früher.«
    Oh nein, nicht schon wieder! Vitória wollte nicht über früher reden, sie lebte im Heute.
    »Wir haben uns gedacht«, erklärte León, »dass ihr an eurem ersten Abend in Rio bestimmt gern ein paar der traditionellen Gerichte essen möchtet. Und unsere Köchin ist unübertroffen, wenn es um typisch brasilianisches Essen geht. Da ihr in Paris – und ihr in Argentinien –«, wandte er sich an Marie und Maurice, »garantiert keinen Oster-
Bacalhau
gegessen habt, gibt es ihn heute. Das ist Stockfisch«, erklärte er den beiden Franzosen in einwandfreiem Französisch. »Er gilt hier sowie in seinem Herkunftsland Portugal als ausgesprochene Delikatesse, weshalb man ihn gern an Festtagen serviert.«
    »Das ist für unsere beiden französischen Herren sicher ein ganz neues Geschmackserlebnis«, meinte Ana Carolina mit unüberhörbarer Ironie. Sie hasste
bacalhau,
den getrockneten und gesalzenen Kabeljau oder Dorsch, der selbst nach nächtelanger Wässerung und ewigem Kochen seinen Hautgout nicht verlor, den die Liebhaber des Fischs aber besonders schätzten.
    »Warte es ab. Immerhin kommen sie aus dem Land, das einige der kräftigsten Käsesorten produziert, in dem man Schweinsfüße isst, Kalbshirn und die Fettlebern von Geflügel. Vielleicht verlieben sie sich spontan in unser Festtagsgericht«, meinte Joana.
    »Hast du ihn denn nie einmal selber gekocht, für deine Familie?«, fragte Ana Carolina nach.
    »Ich bin keine sehr gute Köchin. Also: nein. Marie war ja lange in Portugal bei meinem Cousin, so dass sie diese Dinge kennt. Aber Max hat ihn, soviel ich weiß, noch nie gekostet, nicht wahr, mein Lieber?«
    »Nein, aber ich bin sehr gespannt.«
    »Oh ja, ich auch«, sagte Maurice.
    Wenig später wurde der Fisch aufgetragen. Mariazinha hatte die Ehre, die Platte mit der Hauptattraktion zu bringen, den Fisch zu zerteilen und auf die Teller zu legen. Ein anderes Dienstmädchen brachte die Teller an die Plätze und servierte dort die Beilagen. Das Olivenöl, mit dem der Fisch anstelle einer Sauce beträufelt wurde, gab jeder selber darauf.
    Die Brasilianer beobachteten jede Regung der Franzosen, für die dieses Gericht etwas ganz Neues war. Aber wenn es ihnen nicht schmeckte, so ließen sie sich nichts davon anmerken. Beide aßen ihren Teller mit anscheinend großem Appetit leer, Maurice bat sogar noch um einen Nachschlag.
    »Ich weiß gar nicht, was ihr habt. Ich finde ihn vorzüglich«, murmelte er mit halbvollem Mund.
    »Wir ja auch«, entgegnete Vitória. »Oder zumindest die meisten von uns«, ergänzte sie mit einem Seitenblick auf ihre Tochter, die den
bacalhau
nicht angerührt hatte.
    »Ach, dieser Geschmack weckt so viele Erinnerungen«, setzte Joana abermals mit verklärtem Gesichtsausdruck an und wurde brüsk von Vitória unterbrochen. »Erzählt doch mal, wie ihr mit der argentinischen Küche zurechtgekommen seid«, forderte sie Marie und Maurice auf.
    Zum Glück ließen die beiden sich nicht lange bitten. Es sprudelte förmlich aus ihnen heraus, was sie wo gegessen hatten, welche Abenteuer sie wo bestanden oder wie ungeschickt sie sich beim Tango angestellt hatten – jedes noch so banale Erlebnis wurde mit großem Eifer und unter verschwörerischem Gekicher wiedergegeben. Aber Marie war eine gute Erzählerin, so dass die Runde sich köstlich amüsierte – trotz der geheimnistuerischen Blicke, die Marie und Maurice einander zuwarfen und hinter denen alle dasselbe vermuteten. Die meiste Zeit, dachte Ana Carolina, hatten die beiden im Bett verbracht.
    »Eigentlich freue ich mich jetzt wieder auf zu Hause«, schloss Marie ihren Reisebericht. »Es ist Sommer, bis wir heimkehren. Da können wir den Strandspaß dann fortsetzen.«
    »Die zehn Tage bis zu meiner Hochzeit hältst du es aber schon noch aus, oder?«, fragte Ana Carolina.
    »Schätzchen! Um nichts auf der Welt würde ich mir die entgehen lassen. Oder die Gelegenheit, mein hinreißendes hellblaues Kleid zu tragen, das ich mir extra dafür angeschafft habe.«
    Ana Carolina fiel in das Lachen der anderen mit ein. »Das ist schließlich der Hauptzweck einer Hochzeit, oder, dass sich endlich einmal alle richtig fein machen können?«
    »Selbstverständlich. Ich bin erleichtert, dass du das bereits

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