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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Stündlein hat geschlagen, da fällt mir als einzige Lösung nur noch ein, darunter hindurchzutauchen. Was soll ich sagen, es war meine Rettung. Kurz danach kam die nächste Welle, diesmal nicht ganz so hoch, und ich nahm all meinen Mut zusammen, um mich von ihr an den Strand zurücktragen zu lassen. Das hat sehr viel Können erfordert, wisst ihr, denn man muss genau den richtigen Punkt erwischen, damit man auf der Welle gleiten kann und sie nicht über einem zusammenschlägt. Na, jedenfalls, von der bin ich dann elegant bis zum Strand gehoben worden.«
    »Gewirbelt worden«, korrigierte Marie die Schilderung ihres Mannes. »Und dann hast du orientierungslos im Sand gehockt und wusstest nicht mehr, wo oben und wo unten ist. Es hat übrigens nicht so elegant ausgesehen.«
    Die anderen lachten.
    »Es ist gefährlich, bei starker Brandung ins Wasser zu gehen. Du wärst nicht der Erste, der darin ums Leben kommt«, bemerkte Henrique.
    Drei der älteren Leute sahen ihn betreten an und schwiegen.
    »Oh, habe ich etwas Falsches …?«, fragte Henrique verunsichert.
    »Nein, es ist alles gut, mein Lieber«, beschwichtigte Ana Carolina ihn und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. Ihr Verlobter konnte ja nicht ahnen, dass ihr Onkel Pedro, Vitórias Bruder und Joanas erster Mann, einst in den mörderischen Wellen ums Leben gekommen war. Sie würde es ihm bei der nächsten Gelegenheit, wenn sie allein mit ihm war, sagen. Jetzt war sicher nicht der richtige Zeitpunkt dafür, sonst würde Joana noch anfangen zu heulen, und die gute Stimmung würde schlagartig kippen. »Du hast vollkommen recht, es ist sehr gefährlich, und ich bin froh, dass du nicht so leichtsinnig warst wie Maurice.«
    »Gefährlich war ja auch der Dress von dieser Blondine«, bemerkte Marie. »Den Männern fiel da glatt die Kinnlade runter. Also, allen Männern, die vernünftig genug waren, nicht ins Wasser zu gehen.«
    »Ja, Maurice, da hast du etwas verpasst«, foppte Ana Carolina ihn.
    »Ich bin sicher, dass auch morgen wieder, ähm, interessante Menschen am Strand zu sehen sind«, erwiderte er.
    »Ich komme morgen aber nicht mehr mit«, meinte Henrique. »Erstens ersticke ich in Arbeit, und zweitens ist mir die Sonne zu stark. Ich bin auf der Nase und den Schultern ganz verbrannt.«
    »Aber das steht dir ausgezeichnet«, sagte Dona Vitória zu ihrem künftigen Schwiegersohn. »Ein bisschen Farbe im Gesicht tut dir gut.«
    »Finden Sie?«, fragte er zurück und errötete leicht. Er war es nicht gewohnt, Komplimente zu bekommen, schon gar nicht von Dona Vitória.
    »Unbedingt. Und da wir schon beim Thema sind: Kommt ihr auch mal mit an den Strand, Joana und Max? Es ist ganz anders dort als früher. Es gibt Sonnenschirmvermieter und Getränkeverkäufer, und in den Liegestühlen des ›Copacabana Palace‹ faulenzt es sich ausgezeichnet.«
    Ana Carolina sah ihre Mutter verblüfft an. Die Vorstellung, dass Dona Vitória sich halbnackt in einem der modischen geringelten Badeanzüge zur Schau stellte, fand sie abstoßend. Sie hatte gar nicht gewusst, dass es ihre Mutter überhaupt dorthin zog. Mit der Arroganz der Jugend hatte sie es immer für ein Privileg ihrer eigenen Generation gehalten, an den Strand zu gehen. Ältere Herrschaften sah man dort nur sehr selten, und sie fielen immer unangenehm auf, weil sie antiquierte, prüde Badekleider trugen und mit spitzenbesetzten Sonnenschirmen herumliefen. Die Mehrzahl von ihnen konnte nicht schwimmen und war in dem Glauben aufgewachsen, dass bleiche Haut schön war und dass das Zeigen eines nackten Fußknöchels schon an ein Sittlichkeitsverbrechen grenzte. Es lagen Welten zwischen den Alten und den sportlichen, gebräunten und aufgeschlossenen Jungen.
    »Ana Carolina, sieh mich doch bitte nicht an, als litte ich an Verkalkung. Ich meine durchaus, was ich sage. Und die Avenida Atlântica gehört euch ja nicht allein.«
    »Genau genommen gehört ein großes Stück davon dir«, bemerkte León.
    »Ist das so?«, fragte Joana interessiert nach.
    »Ja, ich habe frühzeitig in Grundstücke investiert, deren Wert deutlich gestiegen ist.«
    »Bestimmt sind sie ein Vermögen wert«, meinte Joana anerkennend. »Ich kenne niemanden, der einen solchen Riecher für gute Geschäfte hat wie du.«
    »Apropos Riecher: Findet ihr nicht, dass diese
canja
einfach köstlich duftet?«, wechselte Marie, nicht eben höflich, abrupt das Thema.
    »Sehr elegante Überleitung«, sagte Ana Carolina mit hochgezogener Braue und grinste ihre

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