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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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war erschrocken, als diese kleine graue Maus, die sie durchaus über die Gangway hatte gehen sehen, sich als Joana entpuppte. Insofern war diese überfallartige Begrüßung gar nicht mal das Schlechteste gewesen. Sie erlaubte Vitória, sich in Joanas Armen wieder zu sammeln und ihr nicht durch ihr Mienenspiel zu verraten, was sie spontan empfunden hatte.
So eine alte Frau.
War sie selber, ohne es zu bemerken, auch zu einer unscheinbaren Alten geworden?
    »Du siehst wunderschön aus, wie eh und je«, beantwortete ihr Joana prompt die ungestellte Frage. »Du hast dich kein bisschen verändert.«
    Du dich schon, dachte Vitória, sprach es aber natürlich nicht aus. »Du bist auch ganz die Alte«, sagte sie stattdessen, was ja halbwegs der Wahrheit entsprach. Vom Wesen her hatte Joana sich ganz sicher nicht so stark verändert wie äußerlich.
    »Ach, und León! Mein lieber Freund, lass dich umarmen!«, rief sie und begrüßte León nicht minder stürmisch als zuvor Vitória.
    »Joana, wie schön, dass du es endlich einmal in deine alte Heimat geschafft hast. Wie war die Reise?«
    »Wie soll sie schon gewesen sein? Zu lang und zu langweilig. Aber allein dieser Moment jetzt entschädigt einen ja für alle erlittenen Torturen am Captain’s Table und sonst wo, nicht wahr?«
    Während Joana und León noch flachsten und scherzten, reichte Vitória Max geziert die Hand und sagte einen Satz in hölzernem Französisch. »Enchanté, Madame«, kam es genauso hölzern zurück. Der arme Mann wünschte sich ganz offensichtlich weit fort.
    Nachdem die Begrüßungsrituale beendet waren, kümmerten sie sich um das Gepäck und verstauten die vielen Teile im Auto. Hier nun endlich taute Max ein wenig auf, als er die französische Marke des Gefährts erkannte. Er streichelte dem Automobil die Flanken, als handele es sich um ein rassiges Pferd, und bedachte León mit Komplimenten für seine kluge Wahl. Er schien ein echter Liebhaber des Motorsports zu sein, denn auf einmal plapperte er munter drauflos, erzählte von Rallyes, an denen er teilgenommen hatte, und von Ausstellungen, die legendär geworden waren.
    »Max ist ein Autonarr«, erklärte Joana überflüssigerweise.
    »Fährt er auch selber? In Paris?«, fragte Vitória.
    »Nein, nein, meistens nimmt er die Metro. Aber wir haben uns vor zwei Jahren ein hübsches Automobil angeschafft, und damit kurven wir an den Wochenenden herum. Es gibt viele lohnende Ziele in der näheren – und ferneren – Umgebung von Paris. Oft verschlägt es uns nach Deauville, weil ich die Atlantikbrise so schätze.«
    »Na, davon bekommst du hier reichlich«, meinte Vitória. »Wenn ihr wollt, leihen wir euch das Auto für den einen oder anderen Ausflug.«
    »Erst einmal schauen wir uns Rio an. Max kennt es ja noch gar nicht. Und ich habe auch schon fast vergessen, wie es ist.«
    »Du wirst einige Stadtteile nicht mehr wiedererkennen«, warf León ein. »Es hat sich viel getan hier.«
    »Ja, unser Deauville heißt Copacabana – genau dort wollten die jungen Leute heute hin. Ich fand es in Ordnung, dass sie sich am Strand austoben, und habe sie von der in ihren Augen zweifellos lästigen Pflicht entbunden, hierher mitzukommen. Ich hoffe, das war in deinem Sinn?«, meinte Vitória.
    »Aber ja, lassen wir ihnen ihren Spaß. So komme ich wenigstens dazu, gleich heute schon zum Friedhof zu gehen und Pedros Grab einen Besuch abzustatten. Du begleitest mich doch?«
    »Es tut mir leid«, sagte Vitória zerknirscht, »aber ich fürchte, das werde ich zeitlich kaum bewerkstelligen können. Es ist noch so viel zu tun, und …«
    »Lass, es ist schon gut«, unterbrach Joana sie. »Vielleicht ist es besser, wenn ich allein gehe.«
    Vitória konnte sich gerade noch beherrschen, um nicht erleichtert aufzuatmen.
     
    Am Abend saßen sie zu acht um den großen Jacarandaholz-Tisch im Speisezimmer und redeten alle durcheinander. Die Stimmung war fröhlich, was vor allem an den vier jungen Leuten – Ana Carolina, Henrique, Marie und Maurice – lag, die den Tag am Strand verbracht hatten und von der vielen Sonne, den aufregenden Bädern im kühlen, aufgewühlten Meer sowie den Erlebnissen mit anderen Badegästen ganz aufgekratzt waren. Maurice unterhielt Henrique mit Schilderungen seiner heldenhaften Kämpfe mit den meterhohen Wellen, während Ana Carolina und Marie es nicht satt wurden, über die Bademode zu reden.
    »Da kommt also diese Welle, dreimal so hoch wie ich selber, und ich denke schon, mein letztes

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