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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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und das ihr Vertrauen in Henriques guten Charakter erschüttert hatte. Stattdessen antwortete sie: »Sie weiß von deiner noblen Abstammung. Die allein macht dich in ihren Augen zum idealen Ehemann für mich, sie hat nämlich einen ausgeprägten Adelstick.« Henrique verzog bei dieser Antwort gequält das Gesicht, weshalb Ana Carolina ergänzte: »Aber ich schätze, wenn sie dich erst kennenlernt, wird sie dich ohnehin ins Herz schließen, ganz unabhängig von deiner Herkunft.«
    »Ich freue mich darauf, ihre Bekanntschaft zu machen.«
    »Und ich freue mich, sie wiederzusehen.«
    »Deine Brüder kommen doch auch, nicht wahr?«
    »Ja. Warum?«
    »Nur so. Wohnen sie auch bei euch?«
    »Um Gottes willen, nein! Das wäre nun wirklich ein bisschen arg, wenn weitere zwei Parteien, auch noch mit Kindern, sich bei uns einquartieren würden. Das Haus ist zwar groß, aber so riesig nun auch wieder nicht. Ich glaube, meine Mutter hat sie im ›Copacabana Palace‹ untergebracht.«
    »Das wird den Kindern gefallen.«
    »Ja, bestimmt.«
    »Bei dem anhaltend schönen Wetter.«
    »Ja.« Was war das nur für ein sonderbar stockendes Gespräch?, fragte Ana Carolina sich. Ging es am Ende Henrique genauso wie ihr, und er suchte nur nach einem geeigneten Stichwort, um etwas ganz anderes zu besprechen? Aber was sollte das sein?
    »Von meiner Seite kommen ja nur sehr wenige Gäste«, meinte Henrique bedauernd.
    »Hat
mãe
etwa jemanden ausgelassen oder ›vergessen‹?«, fragte Ana Carolina.
    »Nein, nein. Sie hat allen, die auf meiner Liste standen, Einladungen geschickt, und soweit ich weiß, kommen auch alle. Es sind nur eben so wenige. Ich hab ja keine Geschwister, meine Eltern hatten selber schon keine, und meine Großeltern sind lange tot. Ein bisschen habe ich dich immer um deine vielköpfige Familie beneidet.«
    »Im Grunde lebe ich aber auch allein mit meinen Eltern unter einem Dach. All die anderen sieht man ja nur selten.«
    »Na ja.«
    »Tja.«
    Eine Weile hingen diese kleinen Wörter in der Luft und machten das Schweigen unangenehm, weil ihr Nachhall so deutlich offenbarte, dass nichts, aber auch gar nichts gesagt worden war.
    »Henrique?«, durchbrach Ana Carolina die Stille.
    »Ja, Schatz?«
    »Gab es einen besonderen Grund für dich, diesen Spaziergang mit mir zu unternehmen? Ich meine, wolltest du vielleicht etwas anderes mit mir besprechen als die Gästeliste oder das Wetter?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich wollte dich aus dem ›Rummelplatz‹, wie du euer Haus nennst, holen und ein wenig die Sonne genießen.« Nach einer winzigen Pause, in der er Ana Carolina die Augen verdrehen sah, folgte ein zerknirschtes »Verzeihung«.
    »Nun, ich hätte dagegen sehr wohl etwas mit dir zu klären«, gab sie sich einen Ruck. Und bevor sie noch einen Rückzieher machen konnte, fragte sie: »Kennst du ein Etablissement namens ›Casa Blanca‹?« Sie war erstaunt, wie nüchtern ihre Stimme klang, obwohl ihr doch innerlich nach Heulen zumute war.
    Allein der Name des Lokals ließ Henrique erblassen. Vor seinem geistigen Auge sah er die schreckliche Tat, an der er mitschuldig war, noch einmal in allen Details vor sich. Lieber Gott, sei mir gnädig!, dachte er. Was er sagte, war indes: »Ja. Warum?«
    »Warst du neulich mal dort? In der Garderobe einer gewissen Künstlerin, zusammen mit ein paar anderen Männern?«
    »Ana Carolina, ich bin unschuldig!«, brach es aus ihm hervor. »Du musst mir glauben, ich habe das Mädchen nicht angerührt!«
    »Ich glaube dir.«
    Fassungslos starrte Henrique sie an. »Ehrlich?«
    »Ja,
Schatz.
« Die liebevolle Anrede klang aus ihrem Mund wie ein Spucken. Je mehr Henrique sich vor ihren Augen wand, desto mehr verachtete sie ihn. »Aber du warst dabei, oder? Du hast zugesehen. Hat es dir vielleicht sogar Spaß gemacht, hat es dich insgeheim erregt?«
    »Aber, wie kannst du nur …«, stotterte Henrique.
    »Wie konntest
du
nur?«, schrie sie ihn an. Ein paar Spaziergänger sahen sich besorgt um. Sie saßen auf einer Parkbank inmitten des gepflegten Grüns der Praça da República, und ein lauter Streit passte so gar nicht in das Ambiente aus Ententeich, spielenden Kindern und Tauben fütternden Alten.
    »Aber …«
    Wieder schnitt sie ihm das Wort ab. »Aber gar nichts. Du hast nichts unternommen. Du hast diese Verbrecher einfach gewähren lassen. Du warst feige!«
    »Ja«, gestand er mit hängenden Schultern. Dann schlug er die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. Vielleicht war es das

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