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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Anstalten machte, das Büro zu verlassen, wurde Felipe deutlicher: »Danke, Augusto.«
    Begriffsstutzig war er eigentlich nicht. Aber Augusto fand, dass Seu Felipe sich irgendwie hätte erkenntlich zeigen können, zum Beispiel dadurch, dass er ihm eine anspruchsvollere oder besser bezahlte Stelle anbot. Achselzuckend und ohne ein Wort des Abschieds verließ er den Raum. Da hatte er nun seine geliebte Bel verraten, hatte entgegen seinen Beteuerungen sein Wissen weitergegeben, und wofür? Für nichts. Das Leben war ungerecht.
     
    Felipe grübelte lange über sein weiteres Vorgehen nach. Wie sollte er sein Wissen nutzen? Sollte er den Kerl, diesen Henrique, eigenhändig erwürgen? Ihn der Polizei melden? Oder wäre es vielleicht geschickter, ihn bei Dona Vitória anzuschwärzen? Der würde schon eine geeignete Bestrafung für den sauberen Schwiegersohn in spe einfallen. Das hätte allerdings den Nachteil, dass er selber nicht in den Genuss käme, dieser Bestrafung beiwohnen zu können – Leute wie
tia
Vitória trugen derartige Dinge unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.
    Dennoch entschloss er sich zu dieser Lösung. Allein ihr Gesicht zu sehen, wenn sie die schockierende Neuigkeit erfuhr, würde ihm schon ein gewisses Maß an Befriedigung verschaffen. Er ließ seine unbearbeiteten Aktenberge liegen, zog sich sein Jackett an, setzte einen Hut auf und stürmte unter den neugierigen Blicken seiner Sekretärin aus dem Büro.
    Als das Taxi ihn vor dem protzigen Bau in Glória absetzte, in dem Vitória Castro da Silva schon so lange lebte, wie er zurückdenken konnte, kam ihm sein Plan plötzlich idiotisch vor. Was hatte diese Frau mit seiner Tochter zu schaffen? Wieso sollte er ausgerechnet ihr von Bels Unglück erzählen? Sie würde sich wahrscheinlich noch darüber amüsieren und ihn, den zornigen Vater, wie einen alten Narren dastehen lassen.
    »Steigen Sie nun aus oder nicht?«, nörgelte der Taxifahrer.
    Das gab den Ausschlag. Felipe bezahlte und stieg aus.
    Ein Hausmädchen öffnete ihm die Tür.
    »Ich bin Felipe da Silva. Ich habe eine Verabredung mit Dona Vitória«, sagte er.
    Die junge Schwarze bat ihn einzutreten und in der Halle zu warten. So leicht war das, dachte Felipe. Hatte man in diesem Haus denn keine Angst vor Dieben oder anderen ungebetenen Eindringlingen? Er betrachtete die riesigen Gemälde, die den Eingangsbereich und die Wände entlang der Wendeltreppe zierten.
    »Felipe«, hörte er da die verhasste Stimme der Frau, die, seinem Vater zufolge, seine Tante war. »Mir muss ganz entfallen sein, dass wir einen Termin hatten.«
    »Tia Vitória, wie schön, Sie so wohlauf zu sehen. Tja, das Gedächtnis wird mit zunehmendem Alter leider nicht besser.« Es war über alle Maßen unhöflich, mit ihr wie mit einer hinfälligen Greisin zu sprechen. Dabei war sie alles andere als das. Ein wenig neidisch musste er anerkennen, dass sie nach wie vor sehr schön war.
    Sie warf ihm böse Blicke zu, spielte aber mit.
    »Was führt dich her?«, fragte sie und wies ihm gleichzeitig den Weg in den Salon. »Es ist so angenehm draußen, sollen wir uns auf die Veranda setzen? Ach, was frage ich? Für Menschen deines Schlags ist die frische Luft ja ohnehin das natürliche Habitat.«
    Kaum waren sie draußen angelangt, schloss sie die Fenstertüren zum Salon und änderte ihren Tonfall drastisch. »Was soll das?«, fuhr sie ihn an.
    »Ich bin froh und stolz,
tiazinha
 – Tantchen –, Ihnen rechtzeitig mitteilen zu können, dass Sie Ihre Tochter einem Verbrecher zur Frau geben wollen.«
    »Was soll der Unsinn? Henrique ist der argloseste, unbescholtenste Mensch, den ich kenne.«
    »Oh, vielleicht ist er auch nur ein begnadeter Schauspieler? Mir ist jedenfalls zu Ohren gekommen, dass er, wenn er sich nicht in Ihrer Nähe oder in der Ihrer Tochter aufhält, ein Schwein ist. Er nimmt an Vergewaltigungen teil, wie finden Sie das?«
    Um sich ihren Schrecken nicht anmerken zu lassen, herrschte sie ihn an: »Sag endlich, was du zu sagen hast. Ich habe nicht ewig Zeit.«
    »Hören Sie endlich auf, mich zu duzen. Die Zeiten der Sklaverei sind vorbei, falls Sie das noch nicht wussten. Im Übrigen war mein Vater Ihr Halbbruder, zumindest war er überzeugt davon. Ich selber kann es eigentlich nicht recht glauben, denn er hatte so viele gute Seiten, während Sie …«
    »Ja, ja, ja. Und jetzt rück schon … rücken Sie schon heraus mit der Sprache.«
    »In der vergangenen Woche haben fünf gut gekleidete, vermeintlich

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