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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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demonstrierten, die im Grunde gar nicht existierte. Sei’s drum – der schöne Schein stimmte.
    Sie waren beide in Gold und Schwarz gekleidet. Vitória trug ein langes, schmal geschnittenes schwarzes Chiffonkleid mit halbtransparenten Ärmeln, dies ein Zugeständnis an ihre nicht mehr ganz so straffen Oberarme. Es war mit aufwendigen Rankenmustern aus goldenen Pailletten bestickt. Ana Carolina hatte sich für ein kürzeres und ärmelloses Kleid im Charleston-Stil entschieden, das aus feinster goldschimmernder Georgette-Seide gearbeitet und mit schwarzen Fransen an Ausschnitt und Saum versehen war. Um die anderen Leute zu ärgern, hatte Vitória ihre dicksten Klunker zutage gefördert, die nun an ihrem und Ana Carolinas Hals um die Wette funkelten. Leider hatte das Diamantcollier nicht zu der Garderobe gepasst, genauso wenig wie der in Platin gefasste Smaragdring, sonst hätte sie diese Stücke gern zur Schau gestellt. Sie wusste, dass einige der anwesenden Damen dafür getötet hätten.
    Sie saßen an einem Tisch mit insgesamt acht Personen. Bei den anderen sechs handelte es sich um drei ältere Ehepaare, die Vitória von früheren Veranstaltungen ähnlicher Art kannte. Sie empfand ein wenig Mitleid mit ihrer Tochter, die nun mit all den Alten hier saß und sich bestimmt zu Tode langweilte. Sollte sie vielleicht ihren Einfluss geltend machen und nach einem anderen Platz verlangen? Tische, an denen auch jüngere Leute saßen, gab es genug. Doch gerade als sie eine der Organisatorinnen darauf ansprechen wollte, bemerkte sie, dass Ana Carolina sich vor Lachen ausschüttete und der Herr neben ihr sich verstohlen Tränen aus den Augen wischte, weil er ebenfalls so herzhaft gelacht hatte. Nanu? Sie hatte gar nicht gewusst, dass der alte Almirante Silveira ein so unterhaltsamer Zeitgenosse war, ja, sie hätte es nicht einmal für möglich gehalten, dass er überhaupt lachen konnte. Umso besser, dann konnten sie ja an diesem Tisch bleiben. Ihr selber war es nämlich von Herzen gleichgültig, wo sie saßen – sie fand die meisten der Leute hier unerträglich.
    Das Essen war von erlesener Qualität, genau wie die dazu gereichten Weine. Die Weine kamen ausnahmslos aus Frankreich, viele der Zutaten für die Speisen ebenfalls. All die importierten Delikatessen mussten Unsummen verschlungen haben – viel blieb da für die Bedürftigen sicher nicht mehr übrig. Aber es gab ja auch noch eine Tombola, vielleicht wäre deren Erlös hoch genug, um damit wenigstens ein Waisenhaus zu unterstützen. Vitória dachte schaudernd an all die Scheußlichkeiten, die es bei der Tombola zu gewinnen gab, wenn man zuvor ein sehr teures Los erworben hatte. Sie hatte nicht die geringste Lust, etwa mit der stillosen Bleikristallvase oder der roséfarbenen Porzellan-Etagere nach Hause zu gehen, zwei jener Objekte, die die Organisatoren bei verschiedenen Händlern in der Stadt zusammengebettelt hatten. Dennoch würde sie natürlich zwei Lose, eines für sich und eines für Ana Carolina, kaufen. Und vielleicht hatten sie ja Glück: Der Hauptgewinn war immerhin eine sehr schöne Perlenkette.
    Während ihre Tochter sich weiter glänzend mit dem alten Admiral unterhielt – ihrem zuweilen schmutzigen Gelächter nach zu urteilen erzählten sie sich zotige Witze –, tauschte sie selber mit ihrer Sitznachbarin nur wenige Worte aus. Sie war nicht unglücklich darüber. So konnte sie wenigstens den Blick durch den festlich geschmückten Saal schweifen lassen und die Oberschicht von Rio beobachten. Einige taten dasselbe wie sie, und wenn ihre Blicke sich trafen, nickten sie oder lächelten. Bankdirektor Gonçalves ließ sich sogar zu einem neckischen Winken hinreißen. Ah, und da war ja auch Passos, dieser Verbrecher. Er ahnte nichts von ihrer Entdeckung und bedachte sie mit seinem charmantesten Strahlen. Nach dem Kaffee würde sie aufstehen und zu seinem Tisch gehen können, so wie dann überhaupt eine allgemeine Wanderung stattfand. Die Leute suchten die Waschräume auf, gingen kurz an die frische Luft oder nutzten einfach die Chance, mit alten Bekannten an anderen Tischen zu plaudern und dabei ihren Schmuck vorführen zu können.
    Dann sah sie Roberto Carvalho samt Ehefrau und zweien seiner erwachsenen Kinder an einem Tisch sitzen und hielt unwillkürlich die Luft an. Oje, hoffentlich hatte Ana Carolina diesen Kerl noch nicht entdeckt. Aber nein, ein Seitenblick reichte, um festzustellen, dass ihre Tochter und der alte Knacker ein Herz und eine Seele

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