Unter den Sternen von Rio
nebenbei.
»Was soll das heißen?«, explodierte Eduardo. Er war derjenige aus der Familie, der mit der Situation am schlechtesten zurechtkam, dem der Skandal am meisten zu schaffen machte.
»Das soll heißen, dass der Auftritt Felipes ja auch inszeniert worden sein könnte. Ich glaube, dass Ana Carolina von diesem ominösen Verbrechen wusste. Es wäre also nicht wirklich ein Hinderungsgrund für die Eheschließung gewesen, zumal es sich eigentlich eher um unterlassene Hilfeleistung handelte.«
»Du weißt, was Henrique getan hat?«, fragte León entgeistert.
»Ja. Er wurde Zeuge eines Verbrechens und ist nicht eingeschritten. Das ist alles. Er selber hat gar nichts getan.«
»Das, meine liebe Vita, darfst du uns bei Gelegenheit noch genauer darlegen. Im Augenblick interessiert mich mehr deine Theorie zum Verschwinden unserer Tochter.«
»Könnte es nicht sein, dass sie einen anderen Verehrer hat? Der sie sozusagen aus den Klauen Henriques – und aus meinen – erretten musste?«, fragte sie mit unüberhörbarer Ironie.
»Aber warum sollte sie das tun? Am Tag ihrer Hochzeit mit einem anderen durchbrennen? Sie hätte doch die Hochzeit abblasen können«, kam Leóns Einwand. »Das kann ich wirklich nicht glauben, Vita, dass das Ganze Absicht gewesen sein soll.«
»Warum nicht?«, meldete sich da Dona Alma zu Wort. Mit träumerischem Blick fuhr sie fort: »Bestimmt hat dieser schöne Mensch, den wir neulich getroffen haben, António … ach, ich habe den Namen vergessen, bestimmt fällt er mir gleich wieder ein, bestimmt war er es, der sie entführt hat.«
Vitória starrte ihre Mutter angeekelt – und ein wenig bewundernd – an. Instinktiv hatte Dona Alma dieselbe Theorie zu Ana Carolinas Verschwinden aufgestellt wie sie selber – nur dass sie diese Wendung der Dinge auch noch gutzuheißen schien. Wurde die alte Närrin auf ihre alten Tage noch romantisch? Die Dona Alma, die sie kannte, wäre nichts weiter als entsetzt über den Skandal gewesen und hätte an nichts anderes als an den Verlust ihres Ansehens gedacht.
»Wenn sie entführt wurde, finde ich sie«, sagte Eduardo mit entschlossen vorgestrecktem Kinn. »Ich muss nur ein paar Telefonate führen.«
»Wer hat denn diesen Unsinn mit der Entführung jetzt aufs Tapet gebracht?«, ärgerte sich León. »Sie wurde nicht entführt«, behauptete er im Brustton der Überzeugung, doch keiner hörte ihm mehr zu.
Alle sprachen durcheinander. Sie drehten sich im Kreis und machten alles noch viel schlimmer. Er hoffte, dass Ana Carolina demnächst einfach durch die Tür treten würde, zerzaust von einem Strandspaziergang, und sich die ganze Aufregung wieder legen würde.
Am Morgen nach der geplatzten Hochzeit lagen Caro und António eng umschlungen in dem riesigen Doppelbett ihrer Luxussuite. Viel geschlafen hatten sie nicht, und Caro spürte deutlich, dass António schon wieder Lust hatte – was nun wiederum ihre Lust anheizte. Sie lagen eng aneinandergeschmiegt, er hinter ihr, seine Brust an ihrem Rücken, seine Knie in ihrer Kniekehle, seine Erektion an ihrem Gesäß. Wie unersättlich er war – und wie begierig auf seine Unersättlichkeit sie selber! Wären nicht Hunger, Durst oder gewisse andere körperliche Bedürfnisse gewesen, hätte sie hier tagelang mit António in diesem Bett liegen und sich den Freuden der körperlichen Leidenschaft hingeben können.
Die Sonne stand schon recht hoch und strahlte direkt in das Schlafzimmer hinein. Caro blinzelte, die Sonne blendete sie. Sie hörte ein zaghaftes Klopfen an der Tür ihrer Suite. Wer erdreistete sich da, sie zu so früher Stunde zu stören? Obwohl – früh? Wie spät mochte es sein? Bestimmt schon nach zehn Uhr morgens. Wieder klopfte es, diesmal etwas energischer. Caro rappelte sich auf, wickelte sich in ein Laken und ging zur Tür. »Ja bitte?«, fragte sie durch die geschlossene Tür hindurch.
»Das Zimmermädchen«, kam es zurück.
»Wir schlafen noch«, sagte Caro und lachte leise in sich hinein. Sie schlief ja offenkundig nicht mehr.
»Oh, verzeihen Sie vielmals die Störung«, vernahm sie die Stimme des Mädchens. »Möchten Sie … darf ich Ihnen frische Handtücher hineinreichen?«
»Na schön«, sagte Caro, öffnete die Tür und sagte unfreundlich: »Geben Sie schon her.«
Im selben Moment stieß jemand die Tür mit voller Wucht auf, so dass Caro gegen die Wand geschleudert wurde.
»Wo steckt er? Wo steckt dieser Mistkerl? Ich bringe ihn um!«, wütete ein Mann, den
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