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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Flugzeugbau irgendetwas Nützliches gebracht hatte, gingen die beiden Freunde auf die andere Seite des Platzes vor der Bibliothek. In einem der vielen Terrassenlokale fanden sie einen freien Tisch. Sie bestellten sich Kaffee und Likör, zündeten sich Zigarren an und genossen es, schweigend dazusitzen und den Passanten zuzuschauen. Es war eine drückende Nacht mit bestimmt über 35  Grad und einer Luftfeuchtigkeit, die einer Waschküche Ehre gemacht hätte. Henrique lockerte seine Fliege und erklärte entschuldigend: »Es ist einfach zu heiß, um sich der Mode oder den Kleidervorschriften zu unterwerfen.«
    Auch António lockerte seinen Binder, dann legte er sogar die Jacke ab und hängte sie über den Stuhlrücken. »Wie recht du hast.«
    Beide lachten und prosteten einander zu.
    »Trotzdem ist mir die Hitze noch lieber als die eisige Kälte in Europa. Warst du mal dort?«, fragte António.
    »Einmal, aber das war in den Sommermonaten. Und weiter als Portugal habe ich es auch nicht geschafft.«
    »Ich habe einen Januar in Paris erlebt, da sank das Thermometer auf unter minus 15  Grad. Es war unvorstellbar. Ich will gar nicht erst wissen, wie sich der Winter in Nordeuropa oder in Russland anfühlt. Damals habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder über unsere tropische Hitze meckern werde, selbst wenn es so arg ist wie heute.«
    »Nun ja, dass es noch nachts so heiß ist, passiert ja auch äußerst selten.«
    »Gottlob.« António lachte über seinen vergeblichen Versuch, nicht über das Wetter zu klagen. »Es ist nämlich für die Fliegerei auch nicht gerade gut. Du weißt ja, dass die Luftdichte mit zunehmender Höhe, aber auch mit höheren Temperaturen abnimmt. An extrem heißen Tagen braucht ein Flugzeug einfach länger, bis es abheben kann – und so lange Startbahnen haben wir hier gar nicht.«
    »Baut sie doch einfach.«
    »So einfach ist das nicht. Die Grundstückspreise sind enorm gestiegen, und einen Flugplatz, der zu weit außerhalb der Stadtgrenzen liegt, will keiner.«
    »Hm«, grübelte Henrique laut. »Wenigstens sind wir hier auf Meeresniveau. Ein Flugplatz hoch in den Bergen dürfte noch schwieriger zu anzufliegen sein.«
    »Wie wahr. Und wie schön, dass du noch ganz der Alte bist: immer optimistisch.«
    »Natürlich. Ich habe ja auch keinerlei Veranlassung, pessimistisch zu sein. Ich verdiene gut. Ich bin jung und gesund. Und vor allem: Ich heirate demnächst das phantastischste Mädchen der Welt!«
    Da! Kaum war es António gelungen, an etwas anderes als an Caro zu denken, wurde er jäh wieder an sie erinnert. Es hatte ihn wirklich schlimm erwischt. So schlimm, dass es ihm zunehmend schwerfiel, seinem Freund vorzugaukeln, er freue sich für ihn. Das tat er nicht. Er beneidete ihn.
    »Sollen wir noch irgendwo anders hingehen?«, lenkte er abrupt vom Thema ab. »Ich kenne hier in der Nähe ein sehr schönes Nachtlokal, wo sie diesen neumodischen Charleston spielen und die Frauen dazu ungehörige Tänze tanzen. Wie wär’s?«
    »Ach, lieber nicht. Ich muss morgen in aller Herrgottsfrühe auf einer Baustelle sein. Außerdem würde Ana Carolina es mir übelnehmen, wenn sie erführe, dass ich mich schon vor unserer Hochzeit solchen Vergnügungen hingebe.«
    Und wieder! Es war zum Haareraufen. »Schade«, presste António gezwungen lächelnd hervor. »Dann werde ich wohl alleine hingehen müssen. Aber darf ich dich so verstehen, dass du nach deiner Hochzeit nicht abgeneigt wärst?«
    Prustend und schenkelklopfend bestellten sie die Rechnung. António zahlte, das befahl ihm allein sein schlechtes Gewissen.
     
    Danach ging er tatsächlich noch in den Nachtclub. Was gab es Besseres, um sich über eine aussichtslose Liebe hinwegzutrösten, als ein paar Gläser Champagner, ausgelassene Menschen und fröhliche Musik? Wider Erwarten genoss er den Abend sogar, obwohl er die ganze Zeit allein an seinem Tisch saß und obwohl eine Sängerin auftrat, die ihn entfernt an Caro erinnerte. Interessant, schoss es ihm durch den Kopf, dass die Natur so ähnliche Geschöpfe hervorbrachte, die eine weiß, die andere dunkelhäutig. Er beobachtete die Sängerin, ein junges Mädchen noch, das sich mit Schminke, lasziven Posen und aufreizender Kleidung älter machte, als es war. Sie war niedlich. Sie war begabt. Und sie hatte die grünsten Augen, die er je bei einer Mulattin gesehen hatte.
    Er sprach dem Alkohol mehr zu, als ihm guttat. Doch irgendwann siegte sein Verstand über seine Laune, und er zahlte. Der Sängerin

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