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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Gelächter aus. »So nennt sie uns also, die alte Hexe? Wie überaus treffend!«
    »António, Ana Carolina – ich bitte euch! Das ist weder treffend noch komisch. Ihr vergesst euch. Komm, Ana Carolina, lass uns jetzt lieber gehen.« Als Henrique sah, dass sie seiner Aufforderung nicht folgte, drehte er sich um und marschierte langsam Richtung Garderobe. »Ich hole schon einmal meinen Hut.«
    Augenblicklich schlug die alberne Stimmung zwischen António und Ana Carolina um. Schuldbewusst sahen sie einander in die Augen.
    »›Ihr vergesst euch‹ hat er gesagt«, raunte Ana Carolina ihm zu. »Dabei hätte er sagen sollen: ›Besser, ihr vergesst einander.‹«
    »Hätte er das wirklich?«
    »Adieu,
Antoine.
«
    »Adieu, Caro.«

6
    D ie Fliegerei hatte in Brasilien einen ungeheuren Aufschwung erlebt, seit die beiden Portugiesen Sacadura Cabral und Gago Coutinho im Jahre 1922 als erste Piloten den Südatlantik überquert hatten. Ihre Reise von Lissabon nach Rio de Janeiro in den Wasserflugzeugen »Lusitânia« und »Santa Cruz« dauerte 79  Tage, denn sie hatten mit widrigen klimatischen Bedingungen sowie mit Motorschäden an ihren Flugapparaten zu kämpfen. Die eigentliche Flugzeit betrug dagegen nur sensationelle 72  Stunden für die gut 8400 zurückgelegten Kilometer. Eine Premiere war ebenfalls, dass die Reiseroute allein aufgrund astronomischer Navigation aus dem Flugzeug heraus errechnet worden war. Bei ihrer Ankunft in Rio de Janeiro wurden die beiden Flugpioniere wie Helden gefeiert.
    Die nächste Herausforderung, für ehrgeizige Piloten und Flugzeugbauer gleichermaßen, war damit praktisch vorgezeichnet: Wem würde es als Erstem gelingen, den Südatlantik ohne Zwischenlandungen zu überqueren? António wusste, dass es mehrere Teams gab, in Europa wie auch in Brasilien, die fieberhaft an der Entwicklung von Fluggerät arbeiteten, das dieser Aufgabe gewachsen wäre. Aber das ganze Projekt stand und fiel mit dem Piloten. Er musste furchtlos und entschlossen sein, denn nicht wenige Männer hatten bei dem Versuch, die Strecke zu bewältigen, ihr Leben gelassen. Er musste darüber hinaus erfahren und technisch versiert sein, und nicht zuletzt musste er gute Verbindungen und einflussreiche Fürsprecher haben.
    Der junge João Ribeiro de Barros aus São Paulo gehörte Antónios Meinung nach zu den aussichtsreichsten Kandidaten, um eines Tages die Lorbeeren für diesen historischen Flug einzuheimsen. João war verwegen genug, geradezu tollkühn, um es schaffen zu können. Er war ein überaus begabter Pilot. Er kam aus einer reichen Familie von Kaffeebaronen, die ihn vorbehaltlos unterstützte. Was ihn in Antónios Augen jedoch der Förderung besonders würdig machte, war vor allem seine Nationalität. Die Ehre sollte einem Brasilianer zufallen.
    Also tat António alles, um seinem Freund João unter die Arme zu greifen. Er korrespondierte mit Flugzeugbauern in Frankreich und Italien, bestach Behörden, setzte die nationale Presse auf dieses Projekt zum Ruhme Brasiliens an und trat sogar mit Alberto Santos-Dumont, dem »Vater der Luftfahrt«, in Verbindung, um diesen als Fürsprecher zu gewinnen. Er steigerte sich derart in sein Vorhaben hinein, dass er alles andere um sich herum vergaß. Und genau das war ja auch der Zweck seines beinahe fanatischen Einsatzes gewesen: Er musste Caro vergessen.
    Eine Weile hatte er sogar mit der Idee geliebäugelt, selbst derjenige zu sein, der den prestigeträchtigen Flug wagte. Es mangelte ihm weder an Mut noch an Geld oder an fliegerischem Können. Als Pilot war er ein Ass, das konnte er ganz ohne Eitelkeit von sich behaupten. Woran es ihm indes mangelte, war das glühende Verlangen, diesen Rekord aufstellen zu müssen. Er konnte sich Schöneres vorstellen, als sich tagelang in einer Klapperkiste aus Holz und Segeltuch den Elementen auszusetzen, sich nicht vom Fleck rühren zu können und in einen Becher urinieren zu müssen. Nein, so weit würde er sich nicht erniedrigen, nur um berühmt zu werden. Da zog er lieber die Fäden hinter den Kulissen – und blieb in Rio, in Caros Nähe.
    Es war zum Verzweifeln. Er durfte nicht um sie werben, aber er konnte sich genauso wenig damit anfreunden, es nicht zu tun. Die Braut seines Freundes, herrje! Warum hatte er sich keine andere Frau aussuchen können? Es gab doch noch ein paar mehr, die ebenfalls klug und schön waren. Was hatte sie, was die anderen nicht hatten? Abgesehen von einem Verlobten natürlich, mit dem ihn eine alte

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