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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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wie du. Die Hände, mit denen sie nach dir greifen, können dir fast die Luft abquetschen. Die Zimmer, in denen du herumläufst, die Möbel um dich herum, Fenster, Türen, sind riesengroß, nichts hat deine Größe, aber eines Tages wirst du so groß sein, dass du an den Türgriff herankommst oder an den Knopf an einem Schrank. So sehen die wirklichen Kindheitserinnerungen aus, und alle, in denen man sich mit den Erwachsenen auf gleicher Höhe befindet, sind spätere Erfindungen. Eine intensive Körperlichkeit, das ist die kindliche Realität.
    Meine früheste Erinnerung stammt aus der Zeit vor meinem zweiten Geburtstag. Ein riesengroßes, gefährliches Pferd ragt hoch, hoch vor mir auf, und obendrauf, noch viel weiter oben, sitzt mein Vater, Kopf und Schultern irgendwo im Himmel. Da sitzt er, das Holzbein immer unter seiner Hose, ein großes, hartes, glattes und wohlverborgenes Ding. Ich versuche nicht zu weinen, als ich mit fest zupackenden Händen hochgehoben und vor meinen Vater gesetzt werde, wo ich mich vorne am Sattel festhalten soll, an einer harten, vorstehenden Kante, die ich nur mit lang ausgestreckten Fingern umfassen kann. Ich spüre die Wärme des Pferdes, den Geruch des Pferdes, den Geruch meines Vaters, lauter heiße, scharfe Gerüche. Als sich das Pferd in Bewegung setzt, drücke ich Kopf und Schultern an den Bauch meines Vaters und fühle dort die harten Gurte seines Holzbeines. Mein Magen rebelliert, weil ich in so hohem Bogen emporgehoben worden bin. Der Boden ist jetzt weit unter mir. Das ist eine echte Erinnerung, heftig, übel riechend – körperlich.
    »Daddy hat dich früher immer vor sich auf das Pferd gesetzt, wenn er zur Bank geritten ist, und Marta hat am Tor gewartet und dich abgeholt. Du warst ganz wild darauf.« Vielleicht stimmt das, vielleicht hat sich mir nur der erste Ritt, der mir gar nicht gefiel, eingeprägt. Das Tor ist auf einer Fotografie zu sehen, ein anmutiger Bogen, und ich habe dieses Bild der echten Erinnerung hinzugefügt. An die Szene, wie ich zu Marta, die ich nicht mochte, hinuntergereicht wurde, kann ich mich nicht mehr erinnern. Diese Ritte müssen in Kermanschah stattgefunden haben, und ich war zweieinhalb, als wir fortzogen.
    Steile, scharfe Steinstufen, wie Felsen an einem Berghang; auch davon gibt es ein Foto, aber im Gedächtnis habe ich den gefährlichen Abstieg und bedrohlich scharfe Kanten.
    Noch eine Erinnerung, eine echte, nicht etwas, das man mir erzählt hat oder das ich im Fotoalbum gesehen habe: ein Schwimmbad, ein großes Becken, voll mit riesengroßen, nackten, blassen Menschen, die schreien und lachen und mich ungestüm mit kaltem Wasser nass spritzen. Die nackten Leiber waren meine wilde und sich lauthals amüsierende Mutter, mein Vater, der sich am Beckenrand festhielt, weil er mit dem jämmerlich kurzen, vernarbten Beinstumpf, der hilflos im Wasser schlenkerte und zuckte, nicht gut schwimmen konnte. Und andere, denn das Becken wirkt brechend voll. Sie sind nicht nackt, sie tragen die züchtigen Badeanzüge jener Zeit, aber wenn Erwachsene tagsüber immer vollständig bekleidet sind und nachts im Bett langärmelige Hemden tragen, dann bieten sie im Badeanzug nichts als blasse Haut und unangenehme Einblicke. Dicke Hängebusen. Haarbüschel unter den Achseln, die verfilzt sind oder angeklatscht, als würde der Schweiß nur so fließen. Manchmal Rotz in einem grinsenden, fröhlich schreienden Gesicht. Rotz, der ins Wasser rinnt, in dem bereits tote und verfaulende Blätter schwimmen, und gebrochene Wolkenspiegelungen, hier unten, nicht oben am Himmel. Kleine Kinder wollen immer alles an seinem Platz wissen, ihre Welt ist ständig von Chaos bedroht, alles bewegt sich von der Stelle, betrügt und belügt sie. »Wir sind im Sommer jeden Nachmittag schwimmen gegangen. Und am Wochenende haben wir regelrechte Schwimmfeste veranstaltet. Was haben die für einen Spaß gemacht. Du warst immer ganz wild auf unsere Feste.« So sprach meine Mutter, wenn sie den schönsten Jahren ihres Lebens, damals in Persien, nachtrauerte. »Wir haben dich zu uns ins Wasser geholt, aber dann hast du geschrien, und wir mussten dich wieder an den Beckenrand setzen. Das Wasser war so kalt! Es war Gebirgswasser. Es kam in Steinrinnen aus den Bergen geflossen. Man musste einfach schreien, wenn man ins Wasser sprang! Um das ganze Becken herum waren Asternbeete angelegt. Die persischen Gärtner waren wundervoll, sie pflanzten alles Mögliche.« Und so stelle ich mir vor, wie ich

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