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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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lustig lachend ins Wasser sprang und wieder auf den Rand gehoben wurde, ich sehe die Astern in Tuschkastenfarben und höre das Schimpfen der persischen Gärtner, die mir das Blumenpflücken verbieten, wie Mutter es erzählte. Aber die echte Erinnerung, die authentische, das sind die riesigen, blassen Vanillepuddingleiber, die im wild schwappenden, kalt riechenden Wasser herumplanschten, die langen, blassen, fuchtelnden Arme, das hart ins Gesicht klatschende Wasser, bei dem einem die Luft wegblieb. »Komm schon, sei kein Spielverderber, ein tapferes Mädchen weint nicht bei jeder Kleinigkeit.«
    Ich habe zwei ausgedachte oder abgeleitete Erinnerungen, die aber wahrscheinlich dennoch wahr sind. In den sechziger Jahren, als wir mit Drogen experimentierten, habe ich eine genommen, die absolut nicht zu empfehlen ist. Man isst Windensamen, die in heißem Wasser eingeweicht werden, bis sie geleeartig sind und sauer schmecken, aber man muss eine Menge davon essen, in meinem Fall waren es sechzig bis siebzig Stück. Mir wurde schlecht, und was die Offenbarungen betrifft, die hätte ich auch beim Schreiben haben können. Ich hatte vorher darüber nachgedacht, warum ich nur noch so wenig von dem großen Steinhaus mit den großen, hohen Zimmern wusste. Ich bin dort geboren. Ich habe dort laufen gelernt. Und ich bildete mir ein, in einem Gitterbett zu liegen, wie in einer Gefängniszelle, und große Füße über Stein laufen zu hören. Ich weiß, dass die Fußböden aus Stein waren und wir kaum Teppiche hatten, dass man aus den großen Fenstern die Berge sah, dass das Haus im Winter kalt war. Das Bett muss so ähnlich gewesen sein, und ein kleines Kind hört jedes Geräusch mit unbelasteten Ohren, ohne etwas auszublenden, wie die Erwachsenen es tun.
    Die andere Erinnerung war hilfreich und ist es bis heute geblieben. Ich habe Meskalin genommen – nur dieses eine Mal. Zwei Freunde überwachten die Dosis und setzten sich dann zu mir. Sie machten sich Sorgen, dass ich aus dem Fenster springen könnte oder etwas in der Art, weil ein Bekannter von ihnen kurze Zeit vorher etwas Ähnliches getan hatte. Damals erlebte ich, wie stark eine Seite meiner Persönlichkeit ist, die ich als die Gastgeberin bezeichnen möchte, denn ich erklärte meinen Freunden die ganze Zeit über freundlich plaudernd, was ich hörte, sah und fühlte, zunehmend wirr, aber trotzdem vollkommen kontrolliert, und zwar offenbar, um die Vorgänge in meinem Innern zu schützen. Diese freundliche, hilfsbereite, aufmerksame Gastgeberin, die gern auf jede Erwartung eingeht, ist ausgesprochen stark ausgeprägt bei mir. Sie bildet einen Schutz, einen Schild, der die private Identität nach außen hin abschirmt. Wie nützlich sie mir war und ist, wenn ich interviewt oder fotografiert werde als öffentliche Persönlichkeit für den öffentlichen Gebrauch! Doch hinter all dieser freundlichen Hilfsbereitschaft gab es noch etwas anderes, eine weitere Person, die Beobachterin. In sie ziehe ich mich zurück, in ihr suche ich Zuflucht, wenn ich glaube, dass mein Leben zum öffentlichen Eigentum wird und ich nichts dagegen tun kann.
Hier bekommen Sie keinen Zutritt, niemals, hier beginnt die unverletzliche Privatsphäre.
Man bezeichnet es als Einsamkeit, dass es im Innersten einen Ort gibt, den man mit niemandem teilen will, aber er ist alles, worauf wir zurückgreifen können. Ich. Dieses Ich-Empfinden. Die Beobachterin, die von niemandem berührt, geschmeckt, gespürt, gesehen werden darf.
    Als ich den beiden Freunden an jenem Tag plaudernd berichtete, jetzt gehe dies, jetzt jenes vor, da schützte ich ein Erlebnis, das ich in mir ausgelöst hatte. Meine Geburt. In den sechziger Jahren waren »religiöse« Erlebnisse dieser Art etwas Alltägliches. Ich holte eine »gute Geburt« nach – wie man damals sagte. Meine eigentliche Geburt war nicht nur schwer, sie wurde durch das, was man mir davon berichtete, sogar noch schlimmer gemacht; deshalb erfand die Geschichtenerzählerin eine Geburt bei Sonnenaufgang, bei dem das riesengroße, noch künstlich beleuchtete Zimmer in kürzester Zeit von Licht und Wärme überflutet wurde. Warum nicht? Ich bin frühmorgens geboren. Dann erfand ich einen Chor der Freude darüber, dass ich ein Mädchen war, denn meine Mutter war sicher gewesen, dass ich ein Junge sein würde, und hatte nur einen Jungennamen parat. In meinem »Spiel« stand mein Mädchenname seit Monaten fest, sodass er mir nicht vom Arzt gegeben werden musste. Mein Vater – wo

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