Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
einigen Ärger.“
„Hatten Sie den Ärger etwa mit Dr. Burghausen?“
„Nein, überhaupt nicht“, antwortete sie prompt, wobei ein Lächeln über ihr trauriges Gesicht huschte. Ich hätte nie Probleme mit ihm bekommen. Wir mochten uns. Sehr sogar.“
Leng hoffte inständig, dass Prado sich mit überflüssigen Fragen oder Bemerkungen zurückhielt. Zu seinem Erstaunen tat er das tatsächlich.
„Was ist dann am Nachmittag passiert?“
„Ein junger Mann kam in die Praxis und hatte einen heftigen Streit mit Walter.“
„Walter?“
„Dr. Burghausen“, meine ich. „Er hat sich zwar als Patient ausgegeben, wollte aber mit Sicherheit aus anderen Gründen vorgelassen werden. Mir war er jedenfalls nicht bekannt.“
„Wobei ging es in dem Streit?“
Vanessa zögerte, was Leng so zu deuten wusste, dass sie unfreiwillig etwas gehört hatte, es aber nicht sagen wollte, um nicht als Lauscherin dazustehen. „Ich hielt mich ja nicht im selben Zimmer auf“, sagte sie schließlich.
„Aber Sie haben trotzdem mit angehört, worüber die beiden Männer sprachen?“
„Ohne es zu wollen“, antworte sie schließlich stockend. „Die Tür zum Nebenraum, aus dem ich einen Verband holen wollte, stand einen Spalt breit offen. Ich hab auch nicht allzu viel verstanden, weil der junge Mann erregt war und deshalb so schnell gesprochen hat.“
„Was haben Sie denn nun von der Auseinandersetzung noch in Erinnerung?“
„Es ging um die Vergangenheit?“
„Um wessen Vergangenheit? Dr. Burghausens?
Sie nickte. „Und um die des jungen Mannes.“
„Sie kannten sich also von früher?“
„Das schien zumindest der Fall zu sein. Der junge Mann warf Dr. Burghausen vor, Schuld zu sein am Tod von…der Name fällt mir nicht mehr ein, aber es war ein Männername.“
„Was geschah weiter?“
„Nichts. Dieser Besucher überschüttete ihn geradezu mit Vorwürfen, während Dr. Burghausen immer wieder versuchte, ihn zu beruhigen und seine Vorwürfe zu entkräften.“
„Und ist ihm das gelungen?“
„Ich denke nicht, weil der junge Mann die ganze Zeit über laut blieb.“
„Haben Sie irgendetwas gehört, was Ihnen wichtig erschien und uns vielleicht weiterhelfen könnte?“
Sie nahm einen tiefen Atemzug und ließ die Luft dann hörbar entweichen. „Schwer zu sagen, weil ich ja nicht weiß, wonach Sie suchen. An etwas erinnere ich mich aber noch: der Besucher unterstellte Dr. Burghausen, er sei von Anfang an gegen die Beziehung gewesen.“
„Sind Sie sicher, dass es bei der Diskussion um einen Mann ging, wie sie eben gesagt haben?“
„Ganz sicher bin ich mir nicht. Manche Namen werden ja von beiden Geschlechtern benutzt, auch wenn die Schreibweise eine andere sein mag.“
„Hat Dr. Burghausen Kinder?“
„Eine Tochter. Die tauchte einige Male hier in der Praxis auf.“
„Und haben Sie eine Ahnung, wie alt die ist?“
„29“, antwortete Vanessa, ohne weiter darüber nachdenken zu müssen.
„Wie können Sie da so sicher sein?“
„Weil sie in zwei Monaten ihren 30. Geburtstag feiert. Vor ungefähr einer Woche hat mich Dr. Burghausen gefragt, ob ich eine Idee für ein Geschenk hätte.“
„Und hatten Sie?“
„Wie denn? Ich kenne seine Tochter doch gar nicht.“
„Wie alt würden Sie denn den jungen Mann schätzen?“
„Der muss ungefähr im selben Alter sein. Ich kann aber in der Patientenakte nachsehen.“
„Das wäre sehr freundlich von Ihnen“, sagte Leng galant, was bei Prado zu hoch gezogenen Augenbrauen führte. „Die Adresse könnten Sie uns auch gleich geben.“
„Ich weiß gar nicht, ob ich dazu berechtigt bin.“
„Wir aber“, schaltete sich Prado ein. Wir ermitteln in einem Mordfall und wenn wir wollen, stellen wir Ihnen die gesamte Bude auf den Kopf.“
Vanessa sah ihn entsetzt an, schaute dann Hilfe suchend zu Leng, der sie zu beruhigen versuchte.
„Fragen Sie einfach einen Ihrer Vorgesetzten, und dann bringen Sie uns die gewünschten Informationen.“
Nachdem sie auffallend leise den Raum verlassen hatte, wurde der Hauptkommissar ziemlich unwirsch. „Jürgen, du weißt sehr wohl, wie sehr ich es schätze, wenn du bei einer Befragung oder einem Verhör dabei bist, weil vier Augen halt mehr als zwei sehen, aber nicht immer sind deine Methoden der Sache dienlich.“
Prado machte eine Bewegung mit seiner rechten Hand, die aussah, als wolle er die Kritik wegwischen. „Der gesamte Haufen hier geht mir auf die Nerven. Die haben doch alle etwas zu verbergen. Das Ganze ist ein
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