Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
einziges Theater, aber mit lauter Schmierenkomödianten.“
„Jetzt beruhige dich doch. Du willst doch nicht einem der Mädchen den Mord anhängen wollen?“
„Was heißt denn hier anhängen. Du wirst sicher mit mir darin übereinstimmen, dass der Herr Doktor kein Kostverächter war?“
„Nun, dafür gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Beweise.“
„Eben.“ Prado fummelte am Reißverschlussende seiner Jacke herum, eindeutiges Indiz dafür, wie ungehalten er war. „Wir wüssten längst mehr, wenn du mich hättest machen lassen.“
Leng wollte auf diesen Vorwurf nicht eingehen, konnte sich aber trotzdem eine Bemerkung nicht verkneifen: „Mit dem Brecheisen bekommt man nicht alle Schlösser auf.“
Vanessa kam zurück, bestätigte das vermutete Alter, brachte die gewünschte Adresse und verließ den Raum sofort wieder, wobei sie es vermied, den Kommissar anzuschauen.
Auf dem Weg zum Auto sprachen die beiden Männer kein einziges Wort miteinander, Leng, weil es nichts zu sagen gab und Prado, weil er verstimmt war. Als sie den Parkplatz erreichten, stellte der Hauptkommissar erleichtert fest, dass auf der eisigen Fläche inzwischen ein Granulat gestreut worden war. Es würde also keine weiteren Unmutsäußerungen geben.
„Wie gehen wir weiter vor?“ fragte Leng, als sie endlich im Auto saßen.
„Ich dachte, wir fahren gemeinsam zu diesem Seamus, um ihn zu vernehmen. Bin gespannt darauf, was er uns zu sagen hat.“
„Also gut“, grinste Leng und stellte die Heizung höher, weil er immer noch fror.
6
„Verdammt, hier können wir nicht abbiegen“, brüllte Prado und schlug mit der Hand aufs Lenkrad. „Hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre. In diesem Gewirr aus Gassen und Einbahnstraßen findet sich nicht einmal die Polizei zurecht. Wieso gibt es eigentlich in dieser Karre kein Navigationsgerät?“
„Willst du eine ehrliche Antwort?“ fragte Leng, wobei er an der erwartungsvollen Miene des Kommissars sah, dass dies der Fall war. „Ich weiß es nicht.“
Sie waren zuerst am Mediapark vorbei und dann die Venloer in Richtung Ehrenfeld stadtauswärts gefahren. Die Straße, viel zu eng für das hohe Verkehrsaufkommen, mussten sich Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und die Fahrzeuge, die die zahlreichen Geschäfte belieferten, teilen. Staus und gefährliche Begegnungen waren da vorprogrammiert, und es wunderte jeden, der hier lebte, dass es nicht noch viel häufiger zu Kollisionen kam.
„Ich sag dir was“, entschied Prado, und es klang so, also ob er keinen Widerspruch duldete. „Ich halt auf dem kleinen Platz da drüben vor der Kirche. Ist zwar nicht erlaubt, aber wir sind ja schließlich die Polizei. Ich fahre jedenfalls nicht zehnmal um den Block, um dann noch immer keinen Parkplatz zu haben.“
„Ganz wie du meinst“, entgegnete Leng, der sich für die Verkehrssituation im Moment wenig interessierte, weil er schon wieder Hunger hatte. „Wenn wir auf unserem Weg irgendwo vorbeikommen, wäre ich nicht abgeneigt, dort eine kleine Pause einzulegen. Ein Käsebrötchen könnte ich jetzt gut vertragen.“
Sie landeten schließlich in einer Tschibo-Filiale. Dort konnten sie zwar nicht sitzen, aber der Kaffee schmeckte und die Croissants waren passabel.
„Glaubst du wirklich, dieser Alexander Seamus hätte etwas mit dem Mord zu tun?“ fragte Leng, nachdem er die Hälfte seines Käse-Croissants gegessen hatte. „Ich kann mir das nicht vorstellen.“
„Und warum nicht?“ wollte Prado daraufhin wissen. Es klang eher wie „Umwarummich“, weil er gerade ein großes Stück von seinem Schinkenbrötchen abgebissen hatte. Ein Teil des Belags hing von seinen Lippen herab, während das Brötchen selber ziemlich leer aussah. „Wer so eine Wut mit sich herumträgt, der ist zu allem fähig.“
„Aber keiner ist so blöd“, hielt Leng dem entgegen, „in eine Praxis mit vielen Menschen zu gehen, einen Streit vom Zaun zu brechen, wenn er vorhat, jemanden umzubringen.“
„Vielleicht hatte er ja gehofft, Burghausen umzustimmen. Außerdem mag der Überfall im Affekt geschehen sein. Dann haben wir es mit Totschlag zu tun und nicht mit vorsätzlichem Mord.“
„Also gut, sehen wir uns den Kerl mal an.“
Die Simrockstraße war so eng, dass die meisten Autos halb auf dem Gehweg parkten, weil sonst eine Durchfahrt nicht mehr möglich gewesen wäre. Die Häuser umfassten zumeist drei Stockwerke, standen in einer Linie und mussten alle in den beiden ersten Jahrzehnten
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