Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
des vorletzten Jahrhunderts entstanden sein. Deshalb erstaunte es die beiden Kommissare auch, als sie die angegebene Adresse erreichten und vor zwei Gebäuden standen, die wohl fünfzehn Meter von der Straßen-front entfernt lagen und zudem durch einen üppig gestalteten Garten vor neugierigen Blicken geschützt wurden. Ein wohl zwei Meter hoher, schmiedeeiserner Zaum verwehrte unerwünschten Besuchern den Einlass. Zwei Backsteinpfeiler flankierten das Tor in der Mitte. Im linken war neben vier Klingelschildern und einer Gegensprechanlage auch ein Sammelbriefkasten untergebracht.
„Sozialhilfeempfänger leben anders“, sagte Prado lakonisch.
Leng spitze seine Lippen und verwandelte sein Gesicht in einen Ausdruck des Bedauerns. „Keimt da so etwas wie Neid auf? Du kannst dich doch mit deiner hundertundvierzig Quadratmeter großen Eigentumswohnung in bester Lage von Nippes nicht beschweren.“
„Tue ich ja auch gar nicht, aber ich habe mir halt immer gewünscht, zentral zu wohnen und trotzdem einen Garten zu besitzen. Leider sind solche Grundstücke rar.“
„Wer weiß, wie lange der hier schon wohnt.“
„So lange wohl nicht, wenn er noch keine dreißig ist, wie wir in der Praxis erfahren haben.“
Leng legte seinen Zeigefinger auf den oberen Knopf und drückte, aber nichts geschah.
„Wir hätten uns vorher anmelden sollen“, überlegte Prado.
„Wohl kaum, denn dann wäre ja das Überraschungsmoment weggefallen. Der Hauptkommissar wollte es gerade noch einmal versuchen, als ein Knistern in der Gegensprechanlage zu hören war.
„Ja bitte“, sagte die Stimme eines Mannes.
„Spreche ich mit Herrn Seamus, Alexander Seamus?“ fragte Leng betont freundlich.
„Wenn Sie mir irgendetwas verkaufen wollen, können Sie gleich eine Tür weitergehen“, tönte es ungehalten aus der Sprechanlage.
„Wir sind von der Kripo Köln und würden uns gerne mit Ihnen unterhalten.“
„Mit mir?“ fragte die Stimme erstaunt. „Sehen Sie die kleine Kamera oben auf dem rechten Pfeiler. Halten Sie bitte ihren Ausweis davor.
Prado drohte bei soviel Misstrauen schon wieder einen Wutanfall zu bekommen, aber schließlich war er es, der seinen Ausweis hochhielt.
„In Ordnung. Ich drücke Ihnen jetzt das Tor auf. Folgen Sie dem Weg zum Haus. Dort müssen Sie noch einmal klingeln. Ich wohne im ersten Stock des rechten Gebäudes.“
„Seltsam“, stellte der Kommissar fest, als sie sich im Schlingerkurs vorbeidrückten an etlichen kahlen Sträuchern und blattlosen Bäumen.
„Was ist seltsam?“
„Dass er überhaupt nicht nach dem Grund unseres Besuches gefragt hat.“
„Woraus du schließt?“
„Dass er ihn bereits kennt.“
„Ich würde mal keine voreiligen Schlüsse ziehen. Vielleicht ist er nur nicht so neugierig wie andere Menschen und wartet erst mal ab, was wir ihm mitzuteilen haben.“
Nachdem sie erneut geklingelt hatten, stiegen die beiden Kommissare in den ersten Stock hinauf. Im Türrahmen stand ein schlanker, athletischer Mann mittlerer Größe mit kurzem braunen Haar und melancholischen Augen, den Leng auf Anhieb sympathisch fand, obwohl er nicht zu sagen vermochte warum.
„Alexander Seamus?“ fragte Prado, wenn auch nicht gerade freundlich.
Ihr Gegenüber bestätigte dies mit einem Kopfnicken und streckte ihnen die Hand entgegen. „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, weil ich Sie nicht sofort hereingelassen habe, aber die Kamera ist nicht ohne Grund installiert worden. In den letzten beiden Jahren häuften sich die Fälle von dreisten Eindringlingen. Energieversorger, Telefonanbieter und sogar Hilfsorganisationen schicken ihre Leute in Scharen aus, um auf manchmal recht penetrante Art ihre Produkte loszuwerden. Einige kamen dabei auf die Idee, sich als Paketzusteller auszugeben, andernfalls hätten wir sie gar nicht erst auf unser Grundstück gelassen.“
Sie folgten Alexander Seamus durch einen langen schmalen Korridor ins Wohnzimmer, dessen Glasfront den Blick freigab auf ein großes, von vier Häuserzeilen begrenztes Areal, das sich im Frühjahr bestimmt in eine blühende Oase verwandeln würde.
„Setzen Sie sich.“ Seamus deutete auf ein cremefarbenes Ledersofa, das Teil einer Sitzgruppe war.
In dem großen Raum dominierten ausschließlich helle Farbtöne, die einen sicherlich gewollten Kontrast bildeten zu dem Kirschholz-Parkett, das zum Teil von einem kostbaren Orientteppich bedeckt wurde. Blickfang des Raumes war aber zweifelsohne die -ebenfalls aus Kirschholz
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