Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
wie ein Dienst-mädchen losgeschickt zu werden.
Es dauerte wohl fünf Minuten, bis Mutter und Tochter endlich zurückkamen, Zeit genug, das Wohnzimmer genauer unter die Lupe zu nehmen. Es wirkte, wie die beiden Kommissare schon bei ihrem ersten Besuch feststellen mussten, trotz der teuren Möbel kalt und abweisend, so als ob sich die im Haus lebenden Personen nur selten hier aufhielten. Einziger Blickfang war der riesige, offene Kamin, der an englische Landhäuser erinnerte. Er mochte durchaus, wenn er brannte, einem Teil des Raumes eine behagliche Atmosphäre geben. Auf dem Kamin stand die obligatorische goldene Uhr, die Leng immer wieder aufs Neue in Erstaunen versetzte, weil sie Indiz dafür war, dass viel Geld nicht automatisch auch einen guten Geschmack zur Folge hatte.
Leng trat dicht an den Kamin heran, um die beiden Fotos besser betrachten zu können, die neben der tickenden Scheußlichkeit standen. Das linke, eingerahmt in einen filigranen Silberrahmen, zeigte einen Jungen im Pubertätsalter, der auf einer Violine spielte; auf dem rechten, das durch einen teueren Mahagonirahmen hervorgehoben wurde, stand ein etwa sechzehn Jahre altes Mädchen mit ausgestrecktem Degen und dem für den Fechtsport so typischen Ausfallschritt. Der Hauptkommissar drehte sich um, als er die beiden Frauen kommen hörte.
„Sie wollten mich sprechen?“ sagte Stefanie Burghausen in einem Ton, der an Arroganz kaum zu überbieten war. „Bevor ich mit Ihnen rede, möchte ich zuerst einmal Ihre Ausweise sehen.“
„Stefanie, bitte“ forderte ihre Mutter sie auf. „Das bringt doch nichts. Die beiden haben mir gestern ihre Ausweise gezeigt.“
„Das ist mir egal“, brüllte sie ihre Mutter an.
Prado hielt ihr den Ausweis direkt unter die Nase, sodass sie gezwungen war, einen Schritt nach hinten zu machen, um das Dokument lesen zu können.
„Prado?“ fragte sie erstaunt. Sind Sie etwa mit den Prados verwandt, die hier im Viertel wohnen?“
„Das sind meine Eltern.“ Er gab diese Information nur äußerst widerwillig preis.
Für einen kurzen Moment schien Stefanie Burghausen den Kommissar als einen der ihren zu betrachten, kam dann aber nach kurzer Überlegung wohl zu dem Schluss, dass er als Polizist auf der in der besseren Gesellschaft wichtigen Rangskala eher in der unteren Hälfte anzusiedeln wäre. Er hatte seine Chance gehabt und sie offenbar nicht genutzt.
„Wann haben Sie Ihre Mutter zuletzt gesehen?“
„Heute. Gestern.“ Sie grinste tatsächlich über diesen blöden Witz.
„Wir spielen das Spiel jetzt nach meinen Regeln“, fuhr Prado sie an, „andernfalls sind wir binnen einer Stunde mit größerem Aufgebot und kreisenden Blaulichtern wieder hier. Ihre Nachbarn werden sich über ein bisschen Abwechselung sicherlich freuen.“
„Versuchen Sie ja nicht, mir zu drohen. Ich kenne meine Rechte. Wenn es keine belastenden Beweise gibt, muss ich sie nicht einmal ins Haus lassen. Am besten, ich sage jetzt nichts mehr und rufe unseren Anwalt an.“
„Tun Sie das“, forderte Leng sie auf. „Ich möchte Ihnen aber trotzdem erklären, in welch misslicher Lage sich Ihre Mutter befindet. Wir haben Sie befragen wollen, damit Sie Ihre Mutter eventuell entlasten können, nicht weil wir Sie verdächtigen. Ich verstehe also nicht, warum Sie sich so unkooperativ zeigen.“
Die ruhig vorgetragenen Worte des Ha uptkommissars verfehlten nicht ihre Wirkung.
Stefanie Burghausen nickte, was Leng als Einverständnis deutete. „Also gut, fragen Sie.“
„Wann vor ihrem Urlaub haben Sie Ihre Mutter zuletzt gesehen?“
„An dem Tag, an dem sie nach Bad Ems gefahren ist, also gestern vor einer Woche.“
„Und wo haben Sie sich getroffen?“
„Hier. Wir treffen uns immer hier. Dies ist mein Zuhause. Ich habe einen Lehrstuhl für Biochemie an der Universität Münster und keine eigene Wohnung in Köln. Natürlich hätte ich mir ein Appartement mieten oder kaufen können, aber meine Mutter schlug vor, das Souterrain für mich auszubauen. Es gibt sogar einen eigenen Eingang an der Rückseite. Ich bin nur jedes zweite oder dritte Wochenende hier, also hätte sich eine zweite Wohnung nicht wirklich gelohnt. Außerdem ist die Villa groß genug für uns drei.“
„Sie haben Ihre Mutter also an besagtem Samstagmorgen gesehen?“ wiederholte Leng.
Stefanie Burghausen nickte. Ich war schon am Freitagabend hier, aber so spät, dass ich meine Eltern nicht mehr stören wollte, obwohl im ersten Stock noch Licht
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