Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
Leben kam. Er ist mit dem Verlust nie fertig geworden, fühlte sich all die Jahre über schuldig, weil er mit Sven eine heftige Auseinandersetzung hatte, kurz bevor er starb. Manche Männer ertränken ihren Kummer im Alkohol, er suchte Trost bei jüngeren Frauen. Die meisten sind nicht älter, als unser Sohn es heute wäre.“
„Aber Sie hätten sich scheiden lassen können.“
„Natürlich hätte ich das tun können, aber die Liebschaften währten nie lange. Wie denn auch? Flüchtiger Sex -meistens war es nicht mehr- konnte ihm kaum helfen, über seinen Schmerz hinwegzukommen. Vielleicht bin ich ja auch all die Zeit bei ihm geblieben, weil er immer wieder reumütig zu mir zurückkam, mir sogar versprach, eine Therapie zu beginnen. Dazu wäre er aber nie bereit gewesen, weil er dann seine Schwächen vor einer ihm völlig fremden Person hätte offen legen müssen.
Irgendwann war es ihm wohl egal, und er begann, auch Verhältnisse mit seinen Angestellten zu haben. Das war der Grund, warum ich die Praxis verließ, unabhängig davon, was Ihnen vielleicht erzählt wurde. Ich nahm selbst diese Demütigungen hin, die allerdings zu zahlreichen zänkischen Eifersüchteleien zwischen den Mädchen führten. So etwas ist auf Dauer nicht gut fürs Geschäft.
Vor einigen Wochen erfuhr ich dann von einem Freund, dass mein Mann schon seit Monaten ein Verhältnis mit Dr. Eitel hätte, mit der er zusammenarbeitet. Das war eine völlig neue Situation für mich. Ich nahm mir vor, herauszufinden, ob die Behauptung der Wahrheit entsprach. Deshalb bin ich nach Köln gefahren. Auch am letzten Donnerstag. Ich wartete in der Nähe der Praxis und sah ihn mit Sylvie Bertold aus dem Haus kommen. Ich folgte ihnen bis zum Cinedom .“
„Hat es Sie überrascht, ihn mit der jungen Frau an seiner Seite zu sehen?“
„Ja und nein. Er hatte immer junge Geliebte. Deshalb war die Überraschung nicht allzu groß. Allerdings hatte ich mich darauf eingestellt, ihn mit Dr. Eitel im Arm anzutreffen.“
„Und an den anderen Tagen?“ wollte Leng wissen. „Was hat er an den anderen Tagen gemacht?“
„Er ist nach Hause gefahren und dort geblieben.“
„Allein?“
„Allein.“
„Was ist am Donnerstagabend weiter passiert?“
„Während er mit Sylvie im Kino saß, bin ich in einem kleinen Restaurant in der Nähe essen gegangen, danach zurück in den Kinokomplex. Als die beiden aus dem Kino kamen, tranken sie im Foyer einen Kaffee. Mein Mann bekam einen Anruf und hatte es auf einmal sehr eilig. Er begleitete das Mädchen bis zum Hansaring und verabschiedete sich dort von ihr.“
„Wohin ist ihr Mann dann gegangen?“
„Ich weiß es nicht.“
„Sind Sie ihm denn nicht hinterher gegangen?“
„Doch. Ich habe es jedenfalls versucht“, antwortete sie, „aber er rannte wie ein Verrückter. Auf meinen hohen Absätzen konnte ich nicht Schritt halten. Er ist irgendwann abgebogen. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.“
„Wo ist er abgebogen?“
„Es war diese kleine Straße, die zur Christuskirche führt. Ich glaube, sie heißt Herwarthstraße.“
„Kennen Sie jemanden, der dort wohnt?“
Klara Burgwinkel schüttelte den Kopf.
„Was haben Sie dann gemacht?“
„Ich bin zum Ebertplatz zurückgegangen, wo ich meinen Wagen geparkt hatte und nach Bad Ems zurückgefahren.“
„Wissen Sie noch, wann Sie dort angekommen sind?“
„Irgendwann nach eins.“
„Geht es auch ein bisschen genauer?“
„Ich hab nicht auf die Uhr geschaut, weil ich viel zu aufgeregt war. Als ich aus dem Bad kam und ins Bett ging, war es viertel vor zwei. Vielleicht kann Ihnen ja einer von der Rezeption die genaue Uhrzeit nennen. Sie haben mich jedenfalls gesehen.“
„Wir würden dann gerne noch mit Ihrer Tochter sprechen“, sagte Leng.
„Was hat denn meine Tochter damit zu tun?“ fragte Klara Burghausen mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie hatte ihre Fassung wieder gewonnen und nahm sofort ihre abweisende Haltung ein. „Stefanie ist überhaupt nicht in Köln gewesen.“
„Sie ja laut Ihrer ersten Aussage auch nicht“, mischte sich Prado ein.
Sie sah ihn mit einem herablassenden Blick an, eine Attitüde, die ihm vor allem bei Leuten aufgefallen war, die von Hause aus viel Geld besaßen und offenbar annahmen, dass ihnen dieses Geld auch automatisch Macht über andere ver-lieh. „Ich werde sie holen“, sagte sie schließlich. Mit der Art, wie sie die Worte aussprach, gab sie unmissverständlich zu verstehen, wie wenig ihr die Aufgabe gefiel,
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