Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
gelangen, es gäbe eine Verbindung zwischen den beiden Taten. Ich warne Sie jedoch nachdrücklich vor voreiligen Schlüssen. Alexander Seamus war bekennender Homosexueller“ -er sprach das Wort aus, als ob ihm eine heiße Kartoffel gerade den Gaumen verbrannte-, „und der Tatort ist ein stadtbekannter Treffpunkt für solche Leute.“
„Und wie wir alle wissen, bringen die sich gerne gegenseitig um“, rief Marion Walz, sehr zur Erheiterung ihrer Kollegen, in den Raum hinein.
„Ich muss Sie bitten, sich zu mäßigen“, entgegnete Windkerk ungehalten. Er versuchte, die Kontrolle zu behalten, aber die feine Röte, die sich auf seinem Gesicht ausbreitete, zeigte nur allzu deutlich, wie wenig ihm das gelang.
Marion Walz ließ sich ohnehin nicht einschüchtern. Das hatte sie zwei Jahre lang getan, sexuelle Anspielungen, nicht gerechtfertigte Verweise und Einteilungen zu langweiliger Büroarbeit ertragen. Seit einem Jahr war sie aktives Mitglied der Polizeigewerkschaft und hatte erfolgreich eine Versetzung beantragt. Am Monatsende würde sie Köln verlassen, was vor allem Leng bedauerte, weil er eine kritische und kompetente Kollegin verlor.
„Muss ich das?“ fragte sie amüsiert. „Wenn wir jemals ihren Einschätzungen gefolgt wären, hätten wir nie auch nur einen Fall gelöst.“
Sie grinste Windkerk schief an. „Ich bin froh, dieses Dezernat in einigen Wochen verlassen zu können. Natürlich gehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge, und bestimmt können sie sich denken, dass ich Ihretwegen keine Träne vergießen werde. Ihre überhebliche und diskriminierende Art hat mir von Anfang an widerstrebt. Ihre eben gemachten Andeutungen über Homosexuelle sind dafür ein gutes Beispiel. Man kann über sexuelle Praktiken geteilter Meinung sein, meinetwegen auch die Treffpunkte, die ja relativ öffentlich sind, nicht gutheißen, aber den Betroffenen zu unterstellen, kriminell zu sein, ist eine Verunglimpfung, die ich so nicht stehen lassen will. Wenn es an diesen oder anderen Orten Übergriffe gegeben hat, kamen sie äußerst selten aus den eigenen Reihen, sondern fast immer von außen.“
Der Dezernatsleiter versuchte sie zu unterbrechen, aber sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
„Ich muss Ihrem Gedächtnis wohl nicht auf die Sprünge helfen. Sie werden sich doch sicherlich noch an zwei dieser Attacken erinnern, weil sie besonders schwer wogen. Die erste fand statt an der Endhaltestelle der Straßenbahn in Jun-kersdorf. Zwei Männer, die Hände haltend dort warteten, um in die Innenstadt zu fahren, wurden von einer Horde Jugendlicher zusammengeschlagen, weil die sich provoziert fühlte. Und was geschah im Gerichtssaal? Die Beschuldigten kamen mit einem milden Urteil davon, weil der Richter die absurde Meinung vertrat, die Opfer hätten das religiöse und moralische Empfinden der jungen Leute nachhaltig gestört. In was für einem Rechtssystem leben wir, wenn Hände halten ein Affront ist, während Hände aufhalten, um Millionen zu kassieren, eine Selbstverständlichkeit darstellt.
Wieder machte Windkerk A nstalten, Marion Walz zu unterbrechen, aber sie fuhr völlig unbeeindruckt fort.
„Sie erinnern sich bestimmt auch noch an den Übergriff vom Aachener Weiher, bei dem drei Jugendliche aus der rechten Szene einen Homosexuellen erstachen.“
Windkerk drohte nun endgültig die Kontrolle zu verlieren. Um das zu verhindern, bat er Leng, den bisherigen Stand der Ermittlungen zu erläutern.
Der Hauptkommissar stand auf, stellte sich neben das vorbereitete Flipchart und begann mit seinen Ausführungen.
„Ich werde mich zunächst darauf beschränken, die reinen Fakten wiederzugeben und alle Mutmaßungen vernachlässigen.“ Das war ein gezielter Seitenhieb, der seinem Vorgesetzten galt. „Dr. Burghausen, ein 54jähriger Dermatologe mit einer gut gehenden Gemeinschaftspraxis am Ebertplatz, wurde in der Nacht von Donnerstag auf Freitag am Seerosenteich im Mediapark ermordet. Tatzeit: Zwischen 1.00 und 2.00 Uhr. Tatwerkzeug: Ein scharfkantiger Stein, höchst wahrscheinlich roter Sandstein, mit dem ihm der Schädel eingeschlagen wurde. Wir haben bisher keine Verdächtigenliste zusammengestellt, weil wir zunächst einmal die Angaben der bisher Befragten überprüfen müssen. Das wird in den nächsten Tagen Ihre Aufgabe sein. Er meinte damit die Kriminalhauptmeister Marion Walz, Siegfried Kerner und Markus Brenner sowie die Kommissare Jürgen Prado und Joachim Breidenbach. Einer der Befragten,
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