Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
Zeitraum.“
Leng heftete das Blatt an die neben ihm stehende Tafel. „Die neuen Untersuchungsergebnisse sollten wir unbedingt bei unseren Verhören berücksichtigen. Fragt also in jedem Fall nach Verhaltensauffälligkeiten bei Burghausen wie etwa ständiger Müdigkeit oder Teilnahmslosigkeit, Unbeherrschtheit, etc. Wir sollten versuchen, die Annahmen von Sand zu verifizieren, was bedeutet, dass wir sowohl eine Selbstverabreichung als Schlafmittel als auch eine Vergiftung in kleinen Dosen über einen längeren Zeitraum ausschließen müssen. Fragt auch, ob es Anzeichen für Epilepsie gab. Vielleicht ist ja irgendwem etwas aufgefallen. Ich höre dann von euch.
Er löste die Runde auf, ohne dem Dezernatsleiter noch eine Möglichkeit einzuräumen, ihnen seine Sicht der Dinge zu unterbreiten.
13
Der Wochenbeginn gehörte weder zu Lengs noch zu Prados Kneipentagen. Dass sie sich trotzdem am Abend im Spitz einfanden, verdankten sie einer Einladung von Bartholomäus Schmidt, einem Freund Susannes, der im kleinen Kreis seinen 41. Geburtstag feiern wollte. Die beiden kannten sich seit fast zwanzig Jahren, hatten sich im Roxy, einem Kölner Szenelokal mit sehr gemischtem Publikum, kennen gelernt.
Bartholomäus Schmidt, von seinen Freunden Barth genannt, war mit seinen 1,70 Meter nur um wenige Zentimeter größer als seine beste Freundin. Sein Haar, hellbraun und wellig, fiel ihm fransig in die Stirn und bedeckte seine Ohren. Er hatte blaue Augen und eine schlanke Statur. Zweimal im Jahr entfernte er seinen Schnäuzer vollständig und zwar immer im Mai und Oktober, und keinem hatte er bisher den Grund dafür verraten.
Er begrüßte Leng überschwänglich, so als ob sie seit Jahren die besten Freunde wären; dabei hatte der Hauptkommissar ihn vielleicht fünfmal getroffen und sich dabei mit ihm über Astronomie, Metaphysik und das Reich der Mitte unterhalten. Rückblickend konnte er sagen, dass die Begegnungen allesamt angenehm verliefen, und trotzdem wäre er niemals auf die Idee gekommen, Barth als einen Freund zu bezeichnen.
Prado nahm Leng beiseite. „Windkerk hat heute Nachmittag noch einmal angerufen, nachdem du gerade gegangen warst.“
„Und?“
„Er wollte wissen, ob wir schon neue Erkenntnisse im Fall Burghausen hätten.“
„Und was hast du ihm gesagt?“
„Ausnahmsweise die Tatsachen. Walz hat in Münster die Nachbarin von Stefanie Burghausen nicht angetroffen, im Haus aber erfahren, dass sie immer erst gegen 18.00 Uhr nach Hause kommt. Brenner konnte in Bad Ems den Nachtportier ebenfalls noch nicht sprechen. Schichtwechsel ist erst um 20.00 Uhr. Kerner hat die Studentin im Klingelpütz aufgesucht, die die Angaben von Sylvie Bertold bestätigte.“
„Und die Eitel werden wir uns morgen gemeinsam vornehmen“, erklärte Leng. Sie war übers Wochenende auf einem Kongress und heute überhaupt nicht in der Praxis. Jetzt lass uns den Abend genießen und nicht mehr über die Arbeit sprechen.“
Wenn das nur so einfach gewesen wäre. Sie schafften es nicht einmal, ein Bier in Ruhe zu trinken, da tauchte Susanne mit Barth im Schlepptau auf.
„Bitte erzähl den beiden, was du mir gerade berichtet hast“, forderte sie ihren Freund auf.
„Aber vielleicht ist es ja gar nicht bedeutsam“, sagte Barth leise.
Leng, der Susanne lange genug kannte, um zu wissen, dass sie nicht wegen einer Nichtigkeit seinen Feierabend stören würde, ermutigte das Geburtstagskind, weil er ahnte, es könnte mit dem aktuellen Fall zu tun haben. „Wiederhole einfach, was du eben erzählt hast und überlass uns die Ein-schätzung, ob es wichtig ist oder nicht.“
„Also gut. Ich wohne in Ehrenfeld“, begann er zögernd. „Die ganze Woche über bin ich in meinem Beruf sehr eingespannt, muss andere Leute bedienen; deshalb gönne ich es mir, mich am Wochenende selbst b edienen zu lassen. Jeden Sonntagmorgen gehe ich ins Herbrand’ s , um dort zu frühstücken. Gestern habe ich das auch getan. Und wenn ich dann die vorzüglichen Croissants, die leckere Marmelade und den Cappuccino genieße, vergesse ich für eine halbe Stunde alles um mich herum. In bin dann in meiner eigenen kleinen Welt, denke mich manchmal in ein kleines Pariser Bistro am Montmartre oder in eine Tratoria nach Neapel.“
Leng hörte aufmerksam zu, hoffte aber, Barth würde seinen poetischen Exkurs bald beenden und mit interessanten Fakten aufwarten.
„Als ich schließlich wieder in Köln befand“, sagte er mit einem Lächeln, „entdeckte ich
Weitere Kostenlose Bücher