Unter der Haut (Hauptkommissar Leng ermittelt) (German Edition)
Festbeleuchtung ab und sah sich im Raum um, bei dem es sich unverkennbar um das Wohnzimmer handelte, zu dem an der dem Fenster gegenüberliegende Seite eine perfekt eingerichtete Küche gehörte. Die Ausstattung des Raumes war geschmackvoll und teuer. Die Besitzerin hatte augenscheinlich eine Vorliebe für Rottöne. Allerdings blieb ihnen kaum Zeit, sich ausgiebig mit der Innenarchitektur zu beschäftigen, schließlich waren sie hier, um nach belastbarem Material zu suchen.
Neben dem Wohnraum lag das Schlafzimmer, das ebenfalls zum Garten hin ausgerichtet war. Die großen Panoramafenster ließen ein Gefühl von Enge und Eingesperrtsein gar nicht erst aufkommen, das einen manchmal in Souterrain-wohnungen beschlich.
„Wonach suchen wir?“ fragte Prado genau in dem Moment, als eine Erschütterung über ihnen für einige Schrecksekunden sorgte.
„Was ist das denn?“ wollte Leng wissen, der beim ersten Geräusch zusammengezuckt war.
„Hört sich nach einem Staubsauger an. Wahrscheinlich ist die Putzfrau im Haus. Das würde auch die geöffnete Tür zum Garten erklären.“
„Solange sie oben bleibt, gibt es keine Probleme“, meinte Leng, „aber wir müssen verdammt aufpassen, dass sie uns hier unten nicht entdeckt.“
„Also gut, ich bleibe an der Tür stehen und lausche, während du weiter suchst.“
Leng stöberte in den Unterlagen auf dem Schreibtisch, öffnete Schubladen und blätterte sich durch Ordner mit Rechnungen, Kontoauszügen und Versicherungspolicen, ohne etwas wirklich Brauchbares zu finden. Im Schlafzimmer gab es kaum Nischen, in denen man etwas hätte verstecken können. In den Schubladen der Kommode lagen Pullover und schicke Seidentücher, und auch der Kleiderschrank wurde aus-schließlich zu seinem ursprünglichen Verwendungszweck benutzt. Doch dann weckte eine mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Eichentruhe seine Aufmerksamkeit. Als er den Deckel anhob, entdeckte er darin nur Handtücher. Erst als er die oberen Handtücher wegnahm, kam darunter ein alter Dolch mit zweischneidiger Klinge zum Vorschein, an dem aber weder Blutpartikel klebten noch sonst irgendwelche Spuren zu sehen waren. Trotzdem nahm er ihn an sich, um ihn von Sand untersuchen zu lassen.
„Was willst du denn damit?“ wollte Prado wissen, als Leng mit der Waffe im Wohnzimmer stand.
„Ich hoffe, dass es sich hierbei um Beweismaterial handelt“, gab er zur Antwort.
„Und wie transportieren wir das Ding ohne Scheide durch den Garten, ohne dass uns ein paar Arme oder Beine abhanden kommen?“
„Ich werde ihn vorsichtig hinter mir herziehen. Dann kann überhaupt nichts passieren“, versicherte der Hauptkommissar.
„Lass uns verschwinden“, drängte Prado. „Ich hab das Gefühl, die Sauggeräusche kommen immer näher. Wenn sie oben mit der Wohnung fertig ist, saugt sie bestimmt auch hier unten.“
Seine Vermutung hätte nicht treffender bestätigt werden können als durch die Schritte, die plötzlich den Gang entlang kamen. Die beiden Männer löschten im Wohnzimmer das Licht und flüchteten ins Schlafzimmer. Sie hörten, wie die Tür zum Garten geöffnet wurde.
„Wenn die uns die Bude dichtmacht, sitzen wir in der Falle“, flüsterte der Kommissar.
„Dann müssen wir eben zum Fenster raus“, antwortete Leng.
„Wie unauffällig. Die Burghausen wird sich dann bestimmt so ihre Gedanken machen.“
„Und wahrscheinlich die Putzfrau für ihre Nachlässigkeit angiften.“
Die Putzfrau hatte in der Zwischenzeit im Garten das Licht eingeschaltet, ging jetzt am Schlafzimmerfenster vorbei und stieg die Treppe hinab in den Keller. Sie war jetzt direkt neben ihnen, nur durch eine Wand getrennt. Sie konnten hören, wie sie etwas über den Boden zog.
„Was macht die da bloß?“ fragte Prado verwundert. „Es gibt doch bestimmt vom Haus einen direkten Zugang in den Keller. Wieso geht sie außen herum?“
„Weißt du, dass mir das völlig egal ist. Die Hauptsache, sie dreht den Schlüssel nicht um und zieht ihn ab.“
Wieder wurde etwas über den Boden gezogen, gefolgt von einem Klopfen und einem blechernen Geräusch.
„Vielleicht entsorgt sie den alten Staubsaugerbeutel“, flüsterte der Kommissar.
„Meinetwegen auch das. Nur beeilen soll sie sich, damit wir hier endlich wegkommen, bevor die Besitzerin dieser Wohnung auch noch auftaucht.“ Leng trat einen Schritt zurück und öffnete die rechte Tür des Kleiderschranks, was ein leises Quietschen zur Folge hatte.
„Bist du verrückt geworden?“
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