Unter deutschen Betten
haben eine Anzeige in der Zeitung. Ich suche jemanden, der bei mir sauber macht.
Ich: Ja, gerne. Wie groß ist denn die Wohnung?
Er: 130 Quadratmeter – ich denke, so einmal die Woche drei Stunden reicht. Es muss nicht immer alles geputzt werden. Ich bin nicht oft zu Hause.
Ich: Das geht in Ordnung.
Er: Was nehmen Sie denn?
Ich: Zwischen acht und zehn Euro.
Er: Gut, dann sagen wir neun, okay?
Ich: Alles klar. Wo soll ich hinkommen?
Ein paar Tage später stand ich bei dem Anrufer zu Hause.
Und war wie erschlagen.
So eine schöne Wohnung hatte ich noch nie gesehen. Sie erstreckte sich fast über das ganze Stockwerk eines Altbaus von 1904. Ich weiß das deshalb so genau, weil die Jahreszahl in Stein über der Eingangstür eingemeißelt stand.
Schon der Hauseingang war spektakulär: An den Wänden rechts und links wanden sich üppige Blumengirlanden aus Stuck, die von unbekleideten, herrschaftlich aussehenden Frauengestalten gehalten wurden.
Das Treppenhaus war weit und hell mit einer Treppe aus weißem Marmor.
Ich fühlte mich wie in einem Schloss.
Das Gefühl verstärkte sich, als ich die Wohnung betrat:
Diese Weite. Hohe Decken, große alte Fenster, ein wunderschöner Holzboden.
An den Wänden große, moderne Bilder.
Nur wenige, geschmackvoll ausgesuchte neue Möbel.
Alles neu renoviert und ohne Risse oder Flecken.
Obwohl ich kein Altbaufan bin und Gargamel mir den letzten Rest Spaß an alten Häusern geraubt hatte, war ich einfach nur beeindruckt.
Ja, hier würde ich gerne putzen.
Der Wohnungsbesitzer stellte sich als Christian vor. Ein schlanker, großer, gutaussehender Mann Anfang dreißig. Mit kurzen, kastanienbraunen Haaren. Wenn er lachte, verschwanden seine offenen, braunen Knopfaugen fast ganz. Und er lachte oft.
Er sei Berater und viel unterwegs. Deshalb bräuchte er jemanden zum Putzen, Waschen und Bügeln.
Ich schaute mich in der Wohnung um. Es war überall so sauber und aufgeräumt, dass ich gar nicht wusste, wo ich noch hätte putzen sollen.
»Lassen Sie sich nicht täuschen, ich habe gerade aufgeräumt und geputzt. Das sieht sonst anders aus.«
Und wie recht er hatte …
Als ich zum ersten Mal zum Putzen kam, lagen in der ganzen Wohnung verstreut Kleidungsstücke. Die Zimmerpflanzen waren vertrocknet und mussten dringend entsorgt werden.
Auf dem Esstisch ein mumifizierter Blumenstrauß.
Vor dem Bett war ein Berg Bügelwäsche aufgehäuft: Hemden, T-Shirts, Unterwäsche, Hosen – alles durcheinandergemischt.
Der Küchenboden sah aus, als hätte jemand mit schlammigen Schuhen ein Muster malen wollen, die Mülleimer quollen über, und in der Waschmaschine moderte offenbar schon seit Tagen die fertig gewaschene Wäsche vor sich hin.
»Mr. Chaos« nenne ich Christian seitdem nur noch.
Er findet das lustig.
Wir kommunizieren viel per SMS, weil er fast ständig unterwegs ist.
Er fliegt in Europa herum und berät Manager darin, »wie man führt«, hat er mir erklärt.
Ich wusste gar nicht, dass da Bedarf besteht.
Das ist ja, wie einem Bäcker erklären zu müssen, wie man bäckt.
Andererseits: Vielleicht könnte ich ja Putzfrauen erklären, wie man putzt. Eine interessante Businessidee …
Wie auch immer, als ich zum ersten Mal zum Putzen kam – Christian hatte mir den Schlüssel nach dem Vorstellungsgespräch schon überreicht –, wusste ich von seiner exklusiven Tätigkeit noch nichts. Ich dachte mir nur: »Was ist denn hier los?«
Und begann, erst einmal aufzuräumen.
Während ich die herumliegenden sauberen Kleidungsstücke zusammenfaltete und zurück in den Schrank legte, fiel mir ein gelber Klebezettel entgegen, auf dem stand:
Du bist mein Traummann.
Ich liebe Dich!
Dein Hasenmann
Ich starrte auf das Stück Papier. Las die Zeilen wieder und wieder.
Da stand doch zweimal »Mann«, oder hatte ich mich getäuscht?
Ich überlegte, ob ich etwas nicht verstanden hatte.
Ein deutscher Spezialausdruck?
Eine Redewendung?
Noch mal die Grammatik überprüfen. Ganz langsam.
Nachdenken.
Noch mal lesen.
…
War der schwul?
DER?
Ich hatte mir Schwule ganz anders vorgestellt. Eher so tuntig, hysterisch, überdreht. Eher weiblich. Mit abgeknickten Handgelenken und Lipgloss.
So wie der schwule Indianer in »Der Schuh des Manitu« oder Brisko Schneider von der »Wochenshow«. Aber Mr. Chaos hatte so gar nichts Feminines an sich.
Heute muss ich über meine Naivität lachen.
Mr. Chaos hat mich weiterempfohlen.
Ich putze mittlerweile
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