Unter deutschen Betten
Psychotherapeut bescheinigt, bei dem sie wegen »extrem schlechter Kindheit« in Behandlung ist.
Diesen Text hat sie mir aus dem Internet ausgedruckt, damit ich ihr glaube:
Als Kaufzwang bezeichnet man einen anhaltenden oder immer wiederkehrenden und zumindest phasenweise unbeherrschbaren Drang, Dinge zu erwerben, für die man eigentlich keine Verwendung hat und die man vielfach schon (teilweise auch mehrfach) besitzt. Die so erstandenen Dinge werden überflüssig gehortet oder verschenkt. Das Interesse zielt hauptsächlich auf den reinen Prozess des Kaufens, wobei im weiteren Verlauf der Krankheit sowohl die Häufigkeit des Kaufens als auch die Kosten der Produkte steigen müssen. Wird der Zwang nicht befriedigt, drohen psychische, teilweise auch physische Entzugserscheinungen. Der Kaufzwang wird auf psychosoziale Ursachen zurückgeführt, die in den meisten Fällen in der Kindheit liegen. Die Behandlung kann in leichteren Fällen durch bestimmte Selbstbehandlungs-Maßnahmen erfolgen. Ist der Zwang stark ausgeprägt, wird dringend zu einer Psychotherapie geraten, in besonders schweren Fällen auch zu Psychopharmaka.
Leider hat Heike nicht den Typ Kaufzwang, bei dem die Patienten die Dinge verschenken, die sie kaufen.
Sie hat den anderen.
Sie hortet.
Jede Woche, bevor ich auch nur den Eimer mit Wasser füllen kann, ruft sie mich erst einmal in ihren begehbaren Kleiderschrank, der die Größe eines Fußballfeldes hat:
»Justyna, schau mal! Das habe ich gestern gekauft. Eine TOD’S Tasche. Sündhaft teuer. Schick, gell? Nimm sie mal. Ja, die steht Dir auch richtig gut. Du, die hat 1500 Euro gekostet. Neue Kollektion.«
Oder die Woche darauf:
»Justyna, komm mal! Fällt Dir was auf? Ja, die Hose. Gucci. Macht ‘nen knackigen Hintern, gell? 400 Euro. Aber jeden Cent wert.«
Wieder eine Woche später:
»Überraschung, Justyna! Schuhe, Justyna! Tadaaaaah! Sind die nicht geil? Und was sagt uns die rote Sohle? Hihihiii. Das sind meine vierten Louboutins. 350 Pfund. Ich war shoppen in London. So werden Businesstrips zum Vergnügen!«
Und so weiter …
Wie eine Kranke wirkt sie bei diesen Vorführungen nicht.
Wohl aber am Zahltag ihrer Putzfrau.
Ich lege ihr immer alle paar Monate eine Sammelrechnung auf den Küchentisch. Darauf stehen die genauen Stunden und die Tage, an denen ich geputzt habe. Zusätzlich meine Ausgaben für Wasch- und Putzmittel, die ich in ihrem Auftrag selbst besorge. Unten mache ich einen Strich und zähle alles zusammen.
Da steht nie mehr, als eine halbe Gucci-Hose kostet.
Die Choreographie ist immer dieselbe: Sie spricht die Rechnung in der folgenden Woche gar nicht an.
Also frage ich:
Ich: Heike, hast Du meine Abrechnung gesehen?
Sie: Was? Ach, ja …
Ich: Kannst Du mir das Geld heute geben?
Sie: Ojeojeeee. Weißt Du, das ist heute ganz schlecht.
Ich: Wieso?
Sie: Ganz blöd, echt. Patrick hat diesen Monat ganz schlecht Geld gemacht. Es brechen ihm gerade so viele Kunden weg. Wegen der Wirtschaftskrise, weißt Du? Hast Du gehört, ne?
Dann war noch der Geburtstag einer guten Freundin und ich musste Geschenke kaufen. Das Geld kriege ich zwar von meinen Freundinnen zurück. Aber ich musste vorlegen.
Und dann habe ich mir gerade noch einen Hermes-Schal gekauft. Ich konnte nicht nein sagen. Ganz neue Farbe. Du weißt ja, ich habe ein Kaufproblem. So psychisch. Ich hab Dir doch mal diesen Internetartikel ausgedruckt. Ne?
Jetzt ist mein Konto total überzogen.
Aber macht nichts.
Ich kann Dich nächste oder übernächste Woche bezahlen. Dann hab ich das Geld vom Geschenk zurück. Das ist doch kein Problem, gell? Du, ich muss jetzt auch mal los. Einkaufen. Ciao.
Mein Psychologe, bei dem ich putze, meinte dazu nur:
»Super Trick! Wenn Du mir die nächste Rechnung stellst, lasse ich mir auch eine Krankheit einfallen. Wie wär’s mit Zahlungsphobie? Oder Kontenanorexia?«
Ich frage mich nur immer, was Heike ihren Freundinnen schenkt, dass ihr Konto so überzogen ist …
Mir jedenfalls schenkt sie nichts. Als ich wegen der Abrechnung mit ihr am Küchentisch saß, stand darauf eine große Schale mit etwa 100 Ferrero Rochers. Als ich fragte: »Darf ich mir eines nehmen?« war ihre Antwort: »Nein, die sind für meinen Kleinen.«
Armut muss weh tun.
Kammer, Küche, Klos und Co.
W enn ich mich nicht mit Geldeintreiben beschäftigen muss, komme ich auch ab und zu mal zu meiner eigentlichen Aufgabe, dem Putzen.
Natürlich muss ich dabei Schubladen
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