Unter die Haut: Ein romantischer SM-Roman (German Edition)
es schlecht, Susanna, die ihr eben noch unendlich aufrecht und mit sich im Reinen erschienen war, in diesem Zustand zu sehen. Susanna straffte sich, bereit, etwas preiszugeben, und schob kaum merklich den Ausschnitt ihrer Bluse etwas beiseite. Juliette erstarrte , a ls sie die Narben auf Susannas sonst makellosem Dekolleté sah.
„ Woher stammen die ?“, rief Juliette entsetzt.
„ Zigaretten “, e rwiderte Susann a und ihr Ausdruck wurde hart.
Juliette stürzte ihren Wermut hin unter und bestellte neuen.
„ Wie ist es möglich“, fragte Juliette ungläubig , „d ass du nicht schreiend davongelaufen bist? Du hättest zur Polizei gehen müssen, in ein Frauenhaus, wer weiß was noch! Wenn mir dieser Kerl begegnet, ich dreh ihm den Hals um!“ Juliette war außer sich vor Wut, sie ballte die Fäuste.
„ Ich dachte, Liebes, es müsse so sein“, erwiderte Susanna und ihr Gesicht entspannte sich wieder.
„ Es müsse so sein? Mein lieber Schwan, wo muss denn so was sein?“, fragte Juliette empört.
„ Als ich Frank damals begegnete, war er tief verflochten mit der so genannten Szene. Ich war jung, in diesen Dingen völlig unerfa hren und froh über die klaren Regeln, die mir damals als guter Leitfaden erschienen, im Nachinein haben die aber bei mir einen ganz anderen Geschmack hinterlassen.“
„ Das glaube ich dir sofort! Aber Regeln? Was für Regeln außer den in unserer Gesellschaft gängigen, kann es denn geben für den Umgang zweier Menschen miteinander in sexueller Hinsicht?“
„ Ja, siehst du, genau das ist der Punkt! Pass auf, ich versuch dir das jetzt mal zu erklären. Ich habe allerdings mittlerweile so viel Abstand zu der Szene, dass ich in jedem Neueinsteiger-Workshop mit meinen Erläuterungen stante pede rausfliegen würde. Ja, guck nicht so, Juliette, so was gibt es wirklich! Das Sendungsbewusstsein ist da enorm. Ständig sind BDSM-er bemüht, den 'langweiligen Vanillas' klarzumachen, dass ihre etwas na, sagen wir mal, 'andere' Form der Sexualität total erstrebenswert ist.“
„ Sag mal, woher kommt eigentlich dieser Begriff?“, fragte Juliette.
„ Na, da stand Vanilleeis Pate. Das soll ein Synonym sein für etwas, was unverfänglich ist, was jeder Mensch mag, womit man absolut nichts verkehrt machen kann“, erklärte Susanna und fuhr fort: „Die Sadomasochisten halten sich alle für Individualisten, für Libertins in Sachen Liebe. Diese seltenen Exemplare gibt es wirklich, man muss sie nur finden!
Aber die große Masse tut genau das, was Menschen als soziale Wesen immer gern tun. So, wie sich zum Beispiel Kleingärtner in Vereinen zusammenschließen. Die treffen sich ja auch zu Gartenfesten, Fortbildungen, Stammtischen, zum Wettstreit darum, wer die größte Birne gezüchtet hat. Man stellt Regeln auf, wie dicht die Hecke am Weg sein darf, wie breit der Gartenweg, wie hoch der Apfelbau m. Genau so be nehmen sich auch diese erklärten, organisierten 'Freigeister der Liebe'. Aber mit einem ganz wesentlichen Unterschied: Diese Regeln betreffen das Intimste zwischen zwei Menschen. Genauestens ist festgelegt, wie sich eine weibliche 'sub' zu betragen hat, was den 'Dom' zum wirklichen Herrn macht. Es ist sogar üblich, das Gefälle zwischen Oben und Unten über die Groß- und Kleinschreibung deutlich zu machen. Weicht jemand vom Regelwerk ab, hat er sofort mit Missbilligungen und Sanktionen zu rechnen. Ganz flott findet sich jeder, den es nach einer etwas außergewöhnlichen Sexualität gelüstet, schon wieder in einem Schubkastensystem. Nichts ist es mehr mit der Individualität! Ruck,zuck entpuppt sich die freiheitsliebende außergewöhnliche Gemeinschaft als Utopie.“
Juliette musste grinsen über Sus annas kritische Äußerungen, spürte aber, dass da noch mehr ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema auf dem glatten Tischchen landen würde, und warf ein: „Du scheinst ja ziemlich fertig zu sein mit dieser Szene! Außerdem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass so etwas wie deine Brandnarben in diesem 'Gartenverein' gang und gäbe sind. Kann doch nicht sein, dass solche Auswüchse vom Regelwerk gedeckt sind, oder?“
„ Nein, da hast du ganz recht!“, bestätigte Susanna kopfnickend. „Tragisch an der Sache ist nämlich noch ein weiterer Punkt. Stell dir vor, es regnet. Einzelne Tropfen treffen auf einer Fensterscheibe auf. Seltsamerweise benehmen sie sich etwa genau so wie Menschen, die immer bestrebt sind, sich Gleichartigen schleunigst zuzuordnen. Diese
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