Unter die Haut: Roman (German Edition)
und sagte: »Danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben, Dr. O’Gally.« Nachdem Sie der Psychologin zum Abschied die Hand geschüttelt hatte, wandte sie sich an Vincent. »Würde es dir etwas ausmachen, mich jetzt nach Hause zu bringen, Vincent?«, fragte sie höflich. »Ich bin müde.«
Und das war sie. Sie hatte diese ganze verdammte Geschichte bis oben hin satt.
16
Die Beziehung zwischen Vincent und Ivy ging in den folgenden Tagen immer weiter den Bach hinunter, und die Schuld daran lag vor allem bei ihm, das war ihm klar.
Aber sie lag nicht nur bei ihm.
Wenn sie nicht von einem Tag auf den anderen aufgehört hätte, mit ihm zu streiten, und so still geworden wäre; wenn sie nicht plötzlich so reserviert gewesen wäre …
Sie hatte sich in jeder Hinsicht zurückgezogen, außer im Bett. Dort verweigerte sie sich ihm nicht. Selbst wenn er in der Ekstase immer fordernder wurde, ging sie mehr als bereitwillig darauf ein. Außerhalb des Bettes jedoch war sie ausgesprochen kühl, und selbst wenn sie miteinander schliefen, sagte sie ihm nicht mehr, dass sie ihn liebte. Auf einmal hatte er jene rein sexuelle Beziehung, von der er immer gedacht hatte, dass er sie wollte – was eigentlich eine Erleichterung hätte sein sollen.
Nur, das war es nicht.
Stattdessen merkte er, dass er jede erdenkliche Anstrengung unternahm, sie dazu zu bringen, diese Zauberworte wieder zu sagen. Er zügelte seine Lust, bis sie nach Erlösung schrie, auch wenn er selbst meist verdammt nah dran war zu schreien, bis er seiner Lust endlich freien Lauf ließ. Aber egal, was er tat oder wie sehr er sie erregte – die Worte, die er hören wollte, kamen ihr nicht mehr über die Lippen.
Zwischen den Laken mochte er sich als Tiger gebärden, kaum kroch er jedoch unter ihnen hervor, verwandelte er sich in einen Paranoiker der schlimmsten Sorte.
Aber warum musste sie auch plötzlich so verdammt höflich sein? Es war kaum auszuhalten. Was war aus der Frau geworden, die ihm bei jedem Wort, das aus seinem Mund kam, munter widersprach? Was ging nur in ihr vor?
Aus den Tiefen seines Unterbewusstseins meldete sich dann eine leise Stimme und flüsterte ihm den allerschlimmsten Verdacht ein: War da ein anderer?
Nein, das konnte nicht sein … oder doch? Sie kam direkt von der Arbeit nach Hause und ging niemals allein aus. Wann sollte sie da Gelegenheit haben, sich mit einem anderen zu treffen? Aber was, wenn es doch so war? Er gab es auf, sich selbst etwas vorzumachen: Sie war wichtig für seinen Seelenfrieden. Und sollte jemals der Tag kommen, an dem sie ihn betrog …
Der Gedanke war schier unerträglich. Es wäre tausendmal schlimmer als LaDonnas Untreue.
Er merkte, dass er sie wie eine Verdächtige bei einer Überwachungsaktion beobachtete, was allerdings nur dazu führte, dass sie sich noch weiter zurückzog. Am Freitag ging er dann noch einen Schritt weiter.
Und vertrieb sie endgültig.
Was für eine Woche! Ivy warf ihre Tasche auf den Couchtisch, schlüpfte aus den Pumps und ließ sich auf die Couch fallen. Fünf Minuten nur, dachte sie, und hielt das Gesicht in den Luftzug, der durch die Schiebetür kam; fünf Minuten und dann würde sie aufstehen, etwas Bequemes anziehen und sich an die Vorbereitung des Abendessens machen. Im Moment wollte sie nichts weiter, als das unverhoffte Alleinsein genießen – praktisch das erste Mal, seit dieser Wahnsinn begonnen hatte.
Unter normalen Umständen – soweit man zurzeit von normal reden konnte – kam sie nie vor Vincent von der Arbeit nach Hause. Ein paar Minuten für sich zu haben, in denen sie nicht mit seinem Misstrauen, das seit kurzem ein schier unerträgliches Ausmaß angenommen hatte, fertig werden musste, war unbeschreiblich erholsam.
Sie wusste nicht, wie lange sie das noch ertragen konnte, sie wusste es wirklich nicht. Sie liebte ihn so sehr, und doch war sie furchtbar wütend auf ihn.
Sein Misstrauen machte alles kaputt. In der Literatur und im Film hatten eifersüchtige Liebhaber immer etwas Aufregendes an sich. Aber im richtigen Leben waren sie der reinste Alptraum. Vincents mangelndes Vertrauen nagte unablässig am Fundament ihrer Beziehung.
Der Ausdruck in seinen Augen, wenn sie ihn dabei ertappte, wie er sie beobachtete, verletzte sie. Sie war nicht dumm, sie wusste, was er bedeutete. Wie konnte er sie lieben (und das tat er, davon war sie überzeugt, auch wenn er es nie offen ausgesprochen hatte) und trotzdem an ihrer Treue zweifeln?
Sie wusste, woher seine
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