Unter die Haut: Roman (German Edition)
Zweifel kamen, dass sie geschürt wurden durch die Untreue, unter der er so gelitten hatte. Aber wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sich diese Entschuldigung langsam aufgebraucht. Es war schließlich sie, die er mit diesem argwöhnischen Blick ansah, und mittlerweile sollte er wirklich wissen, dass sie ihm niemals so etwas antun würde wie LaDonna.
Aus einem geradezu kindischen Rachebedürfnis heraus verkniff sie sich ihre Liebesschwüre, wohl wissend, dass ihn das verrückt machen würde. Das mochte von der gleichen Reife zeugen wie mitten im Spiel seine Glasmurmeln einzusammeln, weil es nicht so lief, wie man wollte – na und? Ihr Verständnis für ihn hatte von Tag zu Tag mehr nachgelassen, und Mitte der Woche war es ganz verschwunden. Wenn also ihre Reaktion auf seinen Mangel an Vertrauen etwas albern sein sollte – selbst schuld. Er sollte ihr einfach trauen.
So konnte sie nicht leben.
Das war einer der Gründe, warum sie keine Sekunde gezögert hatte, als Jaz sie vorhin in der Arbeit angerufen und vorgeschlagen hatte, sich am späteren Abend im Mack’N Babe’s zu treffen. Ein weiterer Grund war, wie Jaz sarkastisch anmerkte, dass Ivy auf diese Weise ihren neuen Freund Tyler kennen lernen würde, solange er noch ihr Freund war. Ihre Woche war offensichtlich nicht viel besser gewesen als die von Ivy. Sie klang so, als könnte auch sie ein wenig emotionale Unterstützung brauchen.
Vincent würde sich bei der Aussicht sicherlich die Haare raufen, aber das war sein Pech. Der Anruf von Jaz hatte auch etwas von einem Friedensangebot, und Ivy hatte die Absicht, es anzunehmen.
Wie sich herausstellen sollte, tat Vincent mehr, als sich nur die Haare zu raufen. Er rastete völlig aus.
Kaum hatte Jaz Merrick ihren Zweck erfüllt, beschloss Tyler Griffus, dass sie zahlen musste. Arrogante Ziege. Was glaubte sie eigentlich, mit wem sie es zu tun hatte?
Sie hatte ihm nichts gesagt, rein gar nichts. Als er sie gefragt hatte, wie der Nachmittag mit ihren Cousinen gewesen sei, hatte sie geantwortet: »Nicht so wahnsinnig toll«, und jede weitere Erklärung verweigert.
Er musste die Ärztin einfach kennen lernen. Das war von entscheidender Bedeutung für sein Leben geworden. Die Stimme in seinem Inneren flüsterte nicht mehr, sie brüllte, und diese Frau konnte sie in Schach halten, er wusste, dass sie das konnte. Aber wie zum Teufel sollte sie das tun, wenn es zu keinem Treffen zwischen ihnen beiden kam?
Na gut, dachte er und rieb sich seine schmerzenden Schläfen. Er musste seine Wut unterdrücken. Er musste sich konzentrieren. Er hatte Jasmine Merrick schon einmal bezirzt, da konnte er es genauso gut noch einmal machen. Er würde sie dazu bringen, genau das zu tun, was er wollte, und wenn sie es dieses Mal wieder vermasselte, dann würde sie den Tag verfluchen, an dem sie geboren wurde.
Als Vincent an diesem Morgen das Haus verlassen hatte, war er voll guter Vorsätze gewesen. Ivy hatte den Kopf weggedreht, als er sie zum Abschied küssen wollte, und da war ihm klar geworden, dass er etwas tun musste, wenn er nicht wollte, dass ihre Beziehung kaputtging. Auf der Fahrt in die Stadt hatte er daher beschlossen, sich an diesem Abend mit ihr zusammenzusetzen und dafür zu sorgen, dass sich keiner von ihnen von der Stelle rührte, bis sie eine Lösung für ihre dringlichsten Probleme gefunden hatten.
Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass man ihm den Fall des kleinen Jeremy Dowdy übertrug. Er war ganz dazu angetan, auch die besten Vorsätze über den Haufen zu werfen.
Polizisten kannten eine ganze Menge Tricks, um mit dem zwangsläufig mit ihrer Arbeit verbundenen Druck fertig zu werden. Jeder Fall brachte massenhaft Verwaltungskram mit sich; und es gab erstaunlicherweise tatsächlich Momente, in denen Vincent dankbar dafür war. Manchmal war er froh, sich hinter seinem Schreibtisch verschanzen zu können, um dem emotionalen Druck seines Jobs zu entkommen. Der Stress bei Special Assault konnte so groß werden, dass er ihn bewusst beiseite schieben und sich darauf konzentrieren musste, die Fakten eines Falls zu prüfen. Diesen Trick wandte er dann insbesondere an, wenn es um Wiederholungsopfer ging.
Sie bildeten eine Gruppe in der Gesellschaft, von denen er sich noch während seiner Ausbildung nicht hätte vorstellen können, dass es sie gibt. Wiederholungstäter, klar. Aber Wiederholungsopfer? Was sollte das denn sein?
Und doch gab es sie.
Was seine Abteilung anging, waren es Frauen, die schon ihr
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