Unter die Haut: Roman (German Edition)
ihren Frauen vorbeigekommen, um sie zu unterstützen, und wie immer, wenn die Penningtons zusammenkamen, endete das jedes Mal unweigerlich mit einer Gesangsrunde. Das wiederum hatte das Interesse der wenigen fremden Gäste geweckt, und sie waren mit ihren Freunden wiedergekommen, um mehr davon zu hören. Bald waren auch die Freunde regelmäßige Gäste und erzählten es ihrerseits an Bekannte weiter. Und so kam eins zum andern, bis die Bar mit ihren allnächtlichen Gesangsdarbietungen plötzlich eine feste Einrichtung war.
An das eine Ende des Tresens schloss sich eine winzige Bühne an, und jedem der Gäste stand es frei, ans Mikrofon zu treten. Es herrschte nie Mangel an Leuten, denen es Spaß machte, sich auf eine Bühne zu stellen; andere dagegen entschieden sich dafür, ihre Lieblingsmelodien von ihrem Platz aus mitzusingen. Aber auch sonst war es in der Bar kaum jemals ruhig.
Die Gäste hatten gerade »Summertime« angestimmt, als sich plötzlich kräftige Männerhände auf Ivys Schultern legten und mit den Daumen geschickt die verspannten Muskeln in ihrem Nacken zu massieren begannen. Vor Schreck kreischte sie auf und vergaß weiterzusingen. Sie blickte hoch, um zu sehen, wer sie da gepackt hielt. Über ihr hing das grinsende Gesicht ihres Cousins Terry. »Hallo, Kleine«, sagte er. Hinter ihm konnte sie Jaz, Davis und Sam sehen.
»Hallo!« Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf, um sie zu begrüßen. »Was macht ihr denn an einem Mittwochabend hier?«
»Mom hat angerufen«, erwiderte Jaz. »Sie sagte, du hättest heute eine Patientin verloren und könntest ein bisschen familiären Trost brauchen, und da sind wir.« Sie zog ihre um einiges größere Cousine in die Arme. »Tut mir Leid, Ive. Muss schlimm gewesen sein.«
Ivys Augen füllten sich mit Tränen, und ihr Lächeln fiel etwas zittrig aus, als sie die Neuankömmlinge nacheinander kurz umarmte, ihnen einen Kuss gab und »Danke« flüsterte. Genau diese Form von Solidarität war es, die ihre Familie so einzigartig machte. Manchmal ließ sie der Mangel an Privatsphäre mit den Zähnen knirschen, aber immer wenn sie dachte, sie hätte endgültig die Nase voll davon, dass sich jeder in ihre Angelegenheiten mischte und alles munter in der Familie herumposaunte, passierte so etwas wie jetzt. Sie waren einfach für sie da, ohne Wenn und Aber. Das machte es irgendwie schwierig, sich zu beklagen.
»Sherry und Ben hab ich nicht erwischt«, sagte Jaz und grinste boshaft. »Sherry wird sich vor Wut die Haare raufen, wenn sie mitkriegt, dass sie etwas verpasst hat.«
Ivy lachte. »Setzt euch, ich stelle euch meine Kollegen vor«, forderte sie sie auf.
»Ich hoffe, es lohnt sich, Schwester«, sagte Jaz spitz und warf ihrer Cousine einen schalkhaften Blick zu. »Du hast dir ja wohl nicht eingebildet, dass ich allein deinetwegen hierher gekommen bin?«
»Nein, ich dachte mir schon, dass dich das Gerücht, ich wäre hier mit ein paar Männern aufgekreuzt, herbeieilen ließ«, erwiderte Ivy schlagfertig.
»Ja, sie hat gehört, dass du mit ein paar echten Ärzten hier bist«, mischte Davis sich ein.
Die vertrauten Frotzeleien mit ihren Verwandten schafften das, was nichts anderes geschafft hatte. Sie verjagten den letzten Rest von Ivys Niedergeschlagenheit, und ihr war wesentlich leichter ums Herz, als sie ihre Kollegen aus der Notaufnahme vorstellte.
Jaz’ makellose Schönheit machte wie gewohnt großen Eindruck auf die Männer, und falls die anwesenden Frauen nicht allzu begeistert über ihr Erscheinen waren, dann wurde das wettgemacht durch den Anblick der drei unbeweibten Männer, die sie im Schlepptau hatte. Stühle wurden hin und her gerückt, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen.
Ihre Verwandten hatten das Talent, schnell Bekanntschaft zu schließen, was eine glückliche Fügung war, da die Stammgäste die Pennington-Kinder, wie sie allgemein genannt wurden (obwohl Jaz eine Merrick war und keiner von ihnen mehr als Kind bezeichnet werden konnte), natürlich sofort erkannten und ihnen kaum genug Zeit lie ßen, die Vorstellungsrunde hinter sich zu bringen, bevor sie immer lauter danach riefen, der Clan sollte auf die Bühne steigen und etwas zum Besten geben. Folgsam entschuldigten sie sich bei Ivys Kollegen und erklommen das winzige Podest.
Nachdem sie kurz die Köpfe zusammengesteckt und sich beraten hatten, setzten sie zu einem alten mehrstimmigen Chorlied an, gefolgt von einem Medley mit Hits aus den Fünfzigern, in das die ganze Bar
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