Unter die Haut: Roman (German Edition)
bestätigen. Bald hatte er vergessen, dass außer ihnen noch jemand im Raum war.
An einem gewissen Punkt blickte sie von den Unterlagen vor ihr auf. »Sie hatten ein Messer, ist das richtig?«
Dan zuckte mit den Schultern.
»Das ist nicht so schlimm«, sagte sie sanft, als spräche sie eher zu sich selbst. »Es hätte schlimmer sein können – es hätte eine Pistole sein können.« Sie blätterte erneut eine Weile in den Papieren, legte sie schließlich auf den Tisch und tippte mit dem Finger auf das oberste Blatt, während sie den Verdächtigen offen anblickte.
»Gut, Dan, dann wollen wir mal sehen, ob ich alles richtig verstanden habe«, sagte sie ruhig. »Sie fuhren in dieser Nacht ungefähr um Viertel vor zwölf zum Haus der Frau, um ihr eine Pizza zu liefern, und sie kam im Morgenmantel an die Tür. Das ist durchaus aufreizend. Und was tut sie dann? Sie geht ins Schlafzimmer, um Geld zu holen, statt es von vornherein bereitzuhalten. Sie will, dass Sie mitkommen – ich meine, Sie gehen davon aus, dass sie es will, oder? Also folgen Sie ihr ins Schlafzimmer, und eins führt zum andern.« Suses Stimme klang unverändert freundlich, als sie jetzt schneller zu sprechen begann. »Sie fassen sie an, sie küssen sie … Sie will Sie. Sie will Sie wirklich – nicht wahr? Und weiter, Dan, Sie hatten ein Messer, stimmt’s? Das stimmt doch, Sie hatten ein Messer? Es hätte schlimmer sein können, Sie hätten eine Pistole haben können. Haben Sie ihr eine Pistole an den Hals gehalten – haben Sie das getan, Dan, haben Sie?«
»Nein, ich habe ihr keine Pistole an den Hals gehalten.«
»Was war es dann?«, fragte Suse. »Es war ein Messer – es war nur ein Messer, oder?«
Er nickte.
»Sie haben das Messer nicht benutzt, nicht wahr, Dan? Sie haben es einfach hingelegt, nachdem Sie es ihr gezeigt hatten, stimmt’s? Haben Sie es benutzt, Dan?«
»Nein, ich habe es nicht benutzt.«
»Okay, Sie haben sie mit einem Messer bedroht, aber Sie haben sie nicht umgebracht. Sie hätten sie umbringen können!« Sie dachte einen kurzen Moment nach und nickte ihm dann aufmunternd zu. »Sie haben sie nicht umgebracht. Hören Sie, ich spreche jeden Tag mit Hunderten Vergewaltigern. Einige von ihnen bringen ihre Opfer um. Sie haben sie nicht umgebracht. Mein Gott, Sie waren nett zu ihr – haben Sie ihr nicht sogar dabei geholfen, sich wieder anzuziehen? Hey, Sie sind kein schlechter Kerl. Sie zahlen Ihre Steuern – Sie haben eine Frau. Ich weiß, was Sie empfinden, Dan. Sie stehen unter Druck, Sie versuchen, Ihren Job zu machen … Den ganzen Tag stehen Sie am Fließband, und nachts liefern Sie Pizzen aus, um ein paar mehr Dollar in der Tasche zu haben. Und wohin führt Sie das? Sie landen bei einer Frau, die verletzlich ist, traurig, einsam. Warum sonst hätte sie Sie mitten in der Nacht gerufen und warten lassen, während sie das Geld holt, wenn sie nicht wollte, dass sie die Gelegenheit ergreifen? Warum sonst hätte sie das getan?«
Vincent konnte förmlich sehen, wie der Verdächtige etwas an Selbstbewusstsein zurückgewann, während Suse sprach. Bald hatte sie ihn so weit, dass er jeden einzelnen Punkt bestätigte, der nötig war, um vor Gericht eine Verurteilung zu erreichen.
Sie hatten ihr Geständnis. Jeder Detective in der Abteilung hatte seine eigene Methode, aber im Grunde genommen holten sie es immer auf diese Weise aus einem Verdächtigen heraus. Abgesehen von der Zeit, in der sie ihre Tat begingen, belastete die meisten Vergewaltiger ihre Tat erstaunlicherweise. Es gab natürlich Ausnahmen, aber für die meisten war es wichtig, dass man ihnen das Gefühl vermittelte, ihr Verbrechen sei nicht ganz so schlimm wie andere, mit denen die Detectives zu tun hatten.
Vincent dachte, dass sich die Opfer wahrscheinlich ein zweites Mal vergewaltigt vorkämen, sollten sie jemals hören, wie die Detectives mit den Tätern umgingen, wie sie es absichtlich so klingen ließen, als hätten die Frauen das, was man ihnen angetan hatte, gewollt. Aber dieses Vorgehen war notwendig. Die Einschüchterungstaktik funktionierte nicht, und letztlich diente ein unterschriebenes Geständnis den Interessen des Opfers, weil es ihm in vielen Fällen die Demütigung ersparte, vor Gericht aussagen zu müssen. Und wenn eine Verhandlung stattfand, dann war mit einem Geständnis eher gewährleistet, dass es zu einer Verurteilung kam. Also, ja, es war notwendig. Und er hatte selbst schon oft auf ähnliche Weise ein Geständnis aus einem Täter
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