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Unter die Haut: Roman (German Edition)

Unter die Haut: Roman (German Edition)

Titel: Unter die Haut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Andersen
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keine Lust, dauernd alles zu wiederholen.«
    In Anbetracht ihres Temperaments, von dem er ja bereits einige Kostproben bekommen hatte, überraschte es ihn, dass sie seiner Aufforderung ohne Widerspruch Folge leistete. Sobald sie neben ihm auf dem Sofa saß, wiederholte er seine Frage: »Was meint er damit, wenn er schreibt, dass es ihm gefällt, wie Sie singen?«
    Ivy blinzelte ein paarmal und versuchte, sich zu konzentrieren. Du lieber Gott, sie musste sich zusammenreißen. Als sie am Nachmittag die Nachricht erhalten hatte, war sie nur deswegen nicht hysterisch geworden, weil sie sich um ihres kleinen Patienten mit den Verbrennungen willen am Riemen reißen musste. Und das hatte angehalten, bis sie nach Hause gekommen war.
    Aber dann war es um ihre Fassung geschehen gewesen. Es war ihr unmöglich, sich länger als eine Sekunde auf irgendetwas zu konzentrieren, ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander. Worte, die jemand zu ihr sagte, schwirrten zusammenhanglos in ihrem Bewusstsein umher wie Motten um eine Lampe, bevor sie sich schließlich zu sinnvollen Sätzen fügten, und auch nur dann, wenn sie der Sprecher einige Male wiederholt hatte. Die Angst schien sie schwerhörig gemacht zu haben.
    »Ivy«, sagte Vincent noch einmal mühsam beherrscht, »was soll es bedeuten, wenn er schreibt, dass es ihm gefällt, wie Sie singen?«
    Sie hatte aufmerksam die Bewegungen seines Mundes verfolgt, als müsste sie ihm die Worte von den Lippen ablesen. Dann sah sie ihn plötzlich zum ersten Mal klar vor sich, seit sie an seiner Tür geläutet hatte.
    Er trug Jeans und ein weißes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, an dem die beiden obersten Knöpfe geöffnet waren. Offensichtlich hatte er beim Nachhausekommen lediglich sein Jackett und Schuhe und Strümpfe ausgezogen, Ersteres hing über der Sofalehne und Letztere lagen verstreut unter dem Couchtisch. An seinem Gürtel war noch ein Lederholster befestigt, das ihr erstaunlich groß vorkam, und sein Hemd war verschwitzt und zerknittert. Während sie den Griff seiner Pistole anstarrte, begannen sich ihre Nerven allmählich zu beruhigen.
    Ein Mann mit einer Pistole war sicher gefährlicher als ein Mann mit einem Messer. Und dieser spezielle Mann mit Pistole wohnte direkt neben ihr.
    »Ich war gestern Abend nach dem Ende meiner Schicht mit ein paar Kollegen aus dem Krankenhaus im Mack’N Babe’s«, erklärte sie ihm, und Vincent stellte mit einer gewissen Befriedigung fest, dass der hysterische Ausdruck nach und nach aus ihren Augen verschwand. Ihre Stimme hörte sich wieder annähernd normal an. »Die Bar gehört meinem Onkel und meiner Tante«, erläuterte sie und fügte dann noch hinzu: »Sie haben mich nach dem Tod meiner Eltern bei sich aufgenommen.«
    Warum erzählte sie ihm das? Sie war von sich selbst überrascht. Noch mehr überraschte es sie, dass Vincent auf ihre Bemerkung einging, statt sie – wie sie es erwartet hätte – als nebensächlich beiseite zu wischen.
    »Wie alt waren Sie, als Ihre Eltern starben?«
    »Fünfzehn. Also, jedenfalls -«, fuhr sie fort, bemüht, zum eigentlichen Thema zurückzukehren. Vincent hakte jedoch nach.
    »Wie sind sie gestorben?«
    »Bei einem Autounfall. Ich war im Wagen, aber ich habe auf dem Rücksitz geschlafen.«
    »Das ist schrecklich. Und Sie waren erst fünfzehn? Ich war in der Navy, als meine Mutter starb«, sagte er. »Da war ich einundzwanzig, zweiundzwanzig. Und ich war fast dreißig, als mein Vater seinen Herzinfarkt hatte. Ich war also etwas besser darauf vorbereitet, mit einem solchen Verlust fertig zu werden, als es ein Kind sein kann, aber es war trotzdem schwer.« Er rekapitulierte im Stillen kurz, was er über sie wusste, und sagte dann aufs Geratewohl: »Das war es, was in Ihnen den Wunsch geweckt hat, Ärztin zu werden, oder?«
    »Ja.« Erst jetzt merkte sie, dass sie ihn die ganze Zeit mit offenem Mund angestarrt hatte, und klappte ihn schnell zu. Ein persönliches Gespräch? Zwischen ihr und D’Am bruzzi? Plötzlich schoss ihr durch den Kopf, dass sie bislang, obwohl sie sich so nahe gewesen waren, wie es zwei Menschen nur sein können, über nichts Persönliches miteinander gesprochen hatten.
    »Wie waren Ihre Tante und Ihr Onkel als Ersatzeltern?«
    »Oh, sie waren wunderbar.« Zum ersten Mal seit Stunden lächelte Ivy. »Absolut wunderbar.« Der Knoten in ihrem Magen begann sich zu lösen, als sie ihm von einigen der Dinge berichtete, die Mack und Babe für sie getan hatten. Und dann erzählte sie ihm von

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