Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen
Sesselfurzer! Der sollte nur einmal unsere Arbeit machen, bevor er sich so aufspielt. Außerdem wird der Laden hier wahrscheinlich eh bald weggebombt«, brummelte die Schwester vor sich hin.
* * *
Lundinion hatte sich in die düsteren Nebel geflüchtet und rannte ungesehen zwischen den aufgebrachten Pflegern davon. Er wusste, dass er Darina einholen musste, bevor sie der Aufsicht in die Hände geriet. In ihm war eine große Unruhe, denn er hatte ihr die ganze Zeit verschwiegen, wo sie sich befand. Sie hatte sich von der wirklichen Welt zurückgezogen. Niemand kam mehr an sie heran. Wie ein Autist war sie unfähig, sich der Außenwelt mitzuteilen oder sie in ihre Welten einzulassen. Man hatte sie hierher gebracht und vergessen. Darina hatte weder Familie, noch Freunde – sie war einfach da. Aber so schweigend, wie sie sich oft verhielt, so stark waren auch ihre emotionalen Reaktionen, wenn unbekannte Dinge in ihr Leben traten. Daher war sie oft in diesem Raum auf der Liege gefesselt und siechte dahin. Mal sang sie seltsame Lieder, mal lag sie flüsternd da, dann wieder schreiend vor Angst.
Ihre einzigen Besucher waren die Leute des Pflegepersonals, die sie mit Psychopharmaka ruhig stellten oder sie in benebelten Zustand durch endlose Gänge führten, damit sich ihre Muskeln nicht zurückbildeten. Sie wussten nicht, wie sie mit ihr umgehen sollten.
So viele Fälle waren den Ärzten und Schwestern untergekommen, mit denen es schwierig genug war in dieser apokalyptischen Zeit. Aber jemand wie Darina, die man weder therapieren, geschweige denn anfassen konnte, ohne dass sie einen lebensgefährlichen Anfall erlitt, war ihnen noch nicht untergekommen. Nachdem sie einen Pfleger mit etlichen Beruhigungsspritzen regelrecht hingerichtet hatte, indem sie ihm Nadeln in beide Augen und in die Kehle rammte, war sie zu einem komatösen Zustand verurteilt worden.
Lundinion konnte sie hier nicht dahinvegetieren lassen.
Sie war der Schlüssel zur Zukunft – wenn diese Welt noch eine hatte!
* * *
Darina rannte durch viele Gänge und immer die Treppen hinauf, bis sie auf dem Dach der Anstalt stand. Der Nebel in ihrem Kopf hatten sich gelichtet, sie war aus ihrem inneren Gefängnis herausgetreten. Ein Seufzen entfloh ihren Lippen.
Der Wind wehte ihr durch das lange Haar, und sie schloss die Augen vor der Helligkeit, die ihr die Sonne in die Augen strahlte. Darina atmete tief ein und genoss für einen kleinen Moment die Freiheit, die jedoch jäh zerstört wurde. Sie wurde plötzlich von hinten gepackt und blickte sich schreiend um.
»Hab ich dich endlich.« Ein psychopatisch aussehender Pfleger griente sie an. »Ich wollte schon immer mal einen Moment mit dir alleine sein.«
Ihre Augen weiteten sich erschrocken, sie ahnte die drohende Gefahr. Der Mann kam ihr bekannt vor, doch war zu viel Zeit vergangen, als dass sie sich wirklich erinnern konnte.
»Du bist so schön, so geheimnisvoll, so unschuldig. Und jetzt gehörst du endlich mir.« Sie zitterte, als er eines ihrer Handgelenke mit seiner speckigen Hand wie ein Schraubstock umfasste und sie gewaltvoll an sich zog. Mit dem anderen Arm presste er sie fest an sich. »Niemand wird dir glauben, selbst wenn du dich mitteilen könntest. Wer glaubt schon einer Irren? Außerdem hast du den Ruf, jeden zu töten, der dich anfasst. Hier wird niemand uns stören, niemand mich aufhalten. Und du wirst bald erkennen müssen, dass du auch hier nicht sicher bist«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie zuckte zusammen, als er sie brutal gegen die Wand neben der Dachtür drückte. Lustvoll leckte seine Zunge über ihre vollen Lippen und bahnte sich einen Weg in ihre Mundhöhle.
Von Panik erfüllt versuchte sich Darina zu befreien, anfangs vergeblich, doch dann verlieh ihr ihre immer stärker werdende Angst Kraft. Mit einem beherzten Schlag stieß sie ihn von sich. Blut lief aus seiner Nase.
»Du willst also kämpfen, kleine Hexe? Diesen Kampf wirst du verlieren!« Er grinste sie blutverschmiert an.
Darina antwortete mit flüsternder Stimme, die einem Schauer über den Rücken fahren lassen konnte: »Das glaube ich nicht.« Nun grinste sie den Pfleger eiskalt an.
In seinen Ausbildungszeiten hatte er sie oft gesehen und ihr die Beruhigungsspritzen gegeben. Oft waren seine Hände über ihre nackte Haut geglitten, während sie im Delirium lag und nichts von alledem mitbekam. So oft hatte er seine Finger in ihren feuchten Schoß gesenkt.
O ja, er wollte sie, doch offensichtlich hatte er den
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